Daemmerung der Leidenschaft
sicher bist, daß Roanna nicht zurechtkommt? Wir gehören ebenso zur Familie wie Webb!«
Sie sprang auf und rannte hinaus. Alle schwiegen betreten. Selbst Gloria, die normalerweise eine Haut wie ein Rhinozeros besaß, war nicht wohl bei diesem so unverhüllt vorgetragenen Eigennutz.
Roanna zwang sich, noch ein paar Bissen zu essen, bevor sie endgültig aufgab. Es sah so aus, als würde Webbs Rückkehr noch schlimmer werden als sein Weggang.
12
Zehn Tage später spazierte Webb durch die Haustür, als ob das Anwesen ihm gehörte, was ja auch neuerdings wieder stimmte.
Es war acht Uhr in der Früh und die Sonne schien hell und fröhlich durch die Fenster, so daß die beigen Fliesen in der Diele einen goldenen Glanz annahmen. Roanna stieg gerade die Treppe herunter. Sie hatte um neun ein Treffen mit ihrem Börsenmakler, der aus Huntsville herüberkam, und wollte vor seinem Eintreffen noch einiges mit Lucinda durchsehen. Für diesen Termin hatte sie ein leichtes, eng geschnittenes, pfirsichfarbenes Seidenkleid gewählt mit einem dazu passenden Blazer; danach mußte sie eine Landratsversammlung besuchen. Sandfarbene Schlangenlederpumps und Perlohrringe komplettierten ihr Outfit. Sie trug nur ganz selten Schmuck, doch ihre Kommilitoninnen hatten ihr beigebracht, wie wichtig gediegener, unauffälliger Schmuck für ein Geschäftstreffen sein konnte.
Die Haustür ging auf, und sie blieb auf der Treppe stehen, weil die unversehens hereinflutende Sonne sie vorübergehend blendete. Sie blinzelte und starrte die dunkle Gestalt an, deren breite Schultern und breitkrempiger Hut sich dort aufbauten. Dann trat er ein, schloß die Tür hinter sich und ließ eine lederne Reisetasche auf den Boden plumpsen. Ihr blieb fast das Herz stehen, als sie ihn erkannte.
Es war zehn Tage her, seit er sie nach Hause geschickt hatte, und seine Ankunft kam nun überraschend. Sie hatte schon angefangen zu fürchten, daß er sich am Ende doch anders entschiede, obwohl Webb bisher immer sein Wort gehalten hatte. Vielleicht hielt er Davenport ja doch nicht für der Mühe wert; sie hätte es ihm kaum vorwerfen können.
Aber da war er, nahm seinen Hut ab und blickte sich mit verengten Augen um, als ob er jede Veränderung, die die letzten zehn Jahre gebracht hatten, in sich aufnehmen wollte. Es waren nur ein paar, aber sie hatte das Gefühl, daß er jede einzelne wahrnahm. Sein Blick verharrte sogar einen Augenblick lang auf dem Treppenläufer. Der war früher dunkler gewesen, jetzt erinnerte er an Hafermehl und besaß ein engeres Webmuster.
Sein plötzliches Auftauchen warf sie beinahe um. Ihn tatsächlich dort unten stehen zu sehen, mit derselben natürlichen Autorität wie eh und je, vermittelte ihr das unheimliche Gefühl, die Zeit wäre stillgestanden.
Aber die Veränderung konnte sie nicht leugnen. Er war nicht nur älter, sondern trug jetzt auch Jeans und Cowboystiefel statt der Leinenhosen und Halbschuhe. Früher hatte er seine starke Persönlichkeit mit gutem alten Südstaatencharme gebremst, jetzt bremste er sie nicht mehr. Er strahlte eine unheimliche Autorität aus, ein Mann, der sich nicht die Bohne darum scherte, was andere von ihm dachten.
Ihre Brust fühlte sich auf einmal recht eng an, und sie mußte sich anstrengen, genug Luft zu bekommen. Sie hatte ihn nackt gesehen, hatte nackt in seinen Armen gelegen. Er hatte an ihren Brustwarzen gesaugt, war in sie eingedrungen. Die Unwirklichkeit des Ganzen machte sie aufs neue schwindlig. In den anderthalb Wochen, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war ihr Abenteuer mehr und mehr in Traumnähe gerückt; doch sein Anblick, wie er so leibhaftig vor ihr stand, brachte ihr Blut sofort wieder in Wallung und ihren Körper zum Kribbeln, als ob er sich gerade erst aus ihr zurückgezogen hätte und sie ihn noch zu spüren glaubte.
Sie fand ihre Stimme wieder. »Warum hast du nicht angerufen? Es hätte dich jemand vom Flughafen abholen können. Du bist doch geflogen, oder?«
»Gestern. Ich hab mir einen Wagen gemietet. Mutter und ich sind gestern abend in Huntsville mit Tante Sandra zusammen gewesen, und vorhin bin ich dann losgefahren.«
Seine durchdringenden grünen Augen waren nun auf sie gerichtet, nahmen ihr Kostüm in sich auf, verglichen vielleicht ihre modische Erscheinung mit dem linkischen, ungeschickten Geschöpf von einst. Oder vielleicht verglich er sie ja mit der nackten Frau, die sich unter ihm gewunden und aufgebäumt hatte, die schrie, als er sie zum Höhepunkt brachte.
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