Daemmerung der Leidenschaft
Roanna einen fragenden Blick zuwarf, wie sie auf seine spontane Art der Übernahme von Macht und Territorium reagierte.
In ihr stritten sich das Lachen und das Weinen. Sie hatte ihre Arbeit nie wirklich gemocht, sich aber dennoch ihren Platz darin erobert. Weil dies das einzige war, wozu sie sie je in ihrem Leben gebraucht hatten, ob Lucinda oder irgend jemand anderes, hatte sie sich mit großem Fleiß und enormer Willenskraft ihrer neuen Aufgabe gewidmet. Mit Webbs Rückkehr verlor sie dieses Betätigungsfeld; bald war sie überflüssig. Andererseits würde es sie ziemlich erleichtern, nicht mehr diese endlosen Konferenzen mit Geschäftsleuten und Politikern durchstehen zu müssen, die ihren Entscheidungen und ihrer Kompetenz höchstens mit Nachsicht begegneten. Auf diese lästigen Pflichten konnte sie gerne verzichten, hatte aber gleichzeitig keine Ahnung, was sie danach mit sich anfangen sollte.
Sie ließ sich allerdings nichts vom Widerstreit ihrer Gefühle anmerken; sorgfältig achtete sie darauf, der Welt ihre übliche glatte Fassade zu präsentieren. Lucinda nahm wieder auf dem Sofa Platz und Roanna ging zu einem der Aktenschränke, wo sie eine dicke Mappe herauszog.
Die Faxmaschine piepte und produzierte schnurrend eine Nachricht. Webb warf einen Blick darauf und ließ ihn dann über die übrige elektronische Ausstattung schweifen, die seit seinem Weggang angeschafft worden war. »Sieht aus, als befänden wir uns jetzt auf dem Informations-Superhighway.«
»Nun, ohne die Geräte müßte ich die meiste Zeit mit Herumreisen verbringen«, erwiderte Roanna. Auf dem Schreibtisch stand ein kleiner PC. »Wir verfügen über zwei getrennte Systeme. Dieser Computer samt Drucker ist für unsere privaten Zwecke. Mit dem anderen ...«, sie wandte sich den Geräten zu, die auf einem speziell angefertigten Computertisch aus massiver Eiche standen, »halten wir Kontakt zur Außenwelt.« Der zweite Computer war an ein Modem angeschlossen. »Wir haben eine eigene Faxleitung, E-Mail und zwei Laserdrucker. Ich kann dir die Programme erklären, wann immer du willst. Außerdem haben wir noch einen Laptop, den wir auf Reisen mitnehmen.«
»Selbst Loyal hat mittlerweile auf Computer umgerüstet«, sagte Lucinda lächelnd. »Die Stammbäume sind sorgfältig aufgelistet und dokumentiert, und er hält außerdem auf den Disketten Zuchtzeiten, Zuchtergebnisse, tierärztliche Behandlungen und eventuelle Krankheitsverläufe fest sowie die Identifikationsmarken. Er ist so stolz auf sein System, als ob es vier Beine hätte und wiehern könnte.«
Webb warf einen Blick auf Roanna. »Reitest du immer noch so viel wie früher?«
»Dafür ist keine Zeit.«
»Vielleicht jetzt wieder!« Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, daß mit Webbs Rückkehr auch das Reiten wieder möglich wurde. Ihr Herz machte einen aufgeregten kleinen Satz. Sie vermißte die Pferde schrecklich, aber was sie gesagt hatte, war die reine Wahrheit: ihr blieben nur wenige Stunden für sich. Sie ritt, wann immer sie konnte, was ausreichte, um nicht aus der Übung zu kommen, aber lange nicht genug für ihre Bedürfnisse. Jetzt mußte sie Webb erst mal alles zeigen und erklären, doch schon bald – bald! – könnte sie wieder anfangen, Loyal zu helfen.
»Wie ich dich kenne«, sagte Webb gemächlich, »planst du bereits bald wieder deine Tage im Stall zu verbringen. Glaub ja nicht, du könntest alles mir aufhalsen und dich davonstehlen! Ich werde alle Hände voll zu tun haben mit den Belangen hier und dann auch noch mit meiner Ranch in Arizona – also wirst du aller Voraussicht nach bestimmte Ressorts behalten müssen.«
Sie würde weiterarbeiten? Zusammen mit Webb? Nie hätte sie damit gerechnet, daß er sie um sich haben wollte oder daß sie danach noch irgendwie von Nutzen wäre. Bei der Aussicht, ihn jeden Tag sehen, mit ihm zusammensein zu können, vollführte ihr Herz einen weiteren Purzelbaum.
Nun konzentrierte er sich auf die Diagramme und Analysen ihrer Aktien und deren weitere Handhabung. Als Sage Whitten schließlich eintraf, wußte Webb ziemlich genau, wo sie auf dem Aktienmarkt standen.
Mr. Whitten war Webb noch nie begegnet; aber seinem überraschten Ausdruck bei der Vorstellung nach zu schließen, hatte er den Klatsch gehört. Falls er von Lucindas Erklärung, Webb würde in Zukunft alle Davenport-Geschäfte handhaben, irgendwie betroffen war, so ließ er sich nichts anmerken. Egal, was die Leute glauben mochten, Webb Tallant war nie wegen Mordes
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