Dämmerung in Mac's Place (German Edition)
man schon einen Anhaltspunkt?«
»Noch nicht.«
»Was ist passiert?«
»Sie wurde in der Wanne gefunden, Kopf unter Wasser, Hand- und Fußgelenke mit Kleiderbügeln aus Draht umwikkelt. Keine sichtbaren Spuren oder Hautabschürfungen.«
»Ertränkt?«
»Kann sein. Die Autopsie wird das klären.«
Wieder war es einen Moment still, bevor Padillo sagte: »Sie haben sie schon lange gekannt, nicht?«
»Etwa solange ich denken kann.«
»Hat das etwas mit Steady zu tun?«
»Könnte sein.«
»Ich würde … nun, ich möchte mich gern mit Ihnen darüber unterhalten.«
»Einverstanden.«
»Wo sind Sie jetzt?«
»Im Willard.«
»Können Sie hierherkommen?«
»Erst muß ich mit einem Anwalt sprechen.«
»Schaffen Sie es bis Mitternacht?«
»Wahrscheinlich.«
»Ich werde hier sein«, sagte Padillo.
Es war der Tisch, den McCorkle und Padillo immer für sich reservierten, der neben der Schwingtüre zur Küche, den jeder sonst mied. Er erlaubte ihnen, sowohl das Personal als auch die Gäste im Auge zu behalten. Außerdem erlaubte er es dem Küchenchef, ab und zu den Kopf nach draußen zu stecken und eine Frage zu stellen, eine Beschwerde entgegenzunehmen oder sich lediglich selbst davon zu überzeugen, daß jemand wirklich aß, was er gekocht hatte.
Als der Anruf für Padillo kam, waren die drei mit dem Festmahl zu Ehren von Erika McCorkles Examen so gut wie fertig. Alle Feststimmung schwand, als Padillo zum Tisch zurückkam, sich setzte, als ob er plötzlich müde geworden wäre, seinen Teller wegschob und sagte: »Isabelle ist tot. Anscheinend ermordet.« Dann wiederholte er mit leiser Stimme alles, was ihm über den Mord gesagt worden war.
McCorkle war der erste, der sprach, aber erst, nachdem er sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt hatte, um Padillo sorgfältig zu betrachten. »Das tut mir leid, Mike. Isabelle hatte immer etwas Glanzvolles und Einzigartiges. Ich werde sie vermissen.« Er hielt inne. »Weiß man, wer es getan hat?«
»Nein.«
Erika McCorkle war blaß geworden. Als sie zu sprechen versuchte, kam nur ein Krächzen heraus. Sie räusperte sich, und diesmal kam ein Flüstern. »In ihrer … Badewanne?«
Padillo nickte.
»Ertrunken?«
»Möglich.«
Immer noch flüsternd, sagte sie: »Dann ist es meine Schuld.«
»Wieso deine Schuld?« fragte Padillo. »Und warum das ganze Geflüster?«
Sie gab keine Antwort, und die Stille hielt an, bis sie endlich wieder sprach, mit einer Stimme, die nicht lauter war als ihr Flüstern. »Weil ich früher mit offenen Augen davon zu träumen pflegte, daß sie ertrinkt. Aber nicht in einer Wanne. Im Anacostia.«
McCorkle schaute Padillo mit einer hochgezogenen Augenbraue an, als hoffe er auf eine Erklärung. Aber Padillo zuckte nur mit den Achseln. McCorkle wandte sich an seine Tochter und fragte: »Warum hast du davon geträumt, daß sie … ertrinkt?«
»Das habe ich dir gesagt. Ich war eifersüchtig.«
»Das hast du mir nicht gesagt«, sagte McCorkle.
Sie starrte ihn mit gerunzelter Stirn an. Einen Moment später verschwand das Stirnrunzeln, und sie sagte: »Richtig. Das warst gar nicht du. Ich hab es Granville Haynes erzählt. Heute nachmittag.«
»Du hast ihm erzählt, daß du wegen Steady auf Isabelle eifersüchtig warst?«
Das Stirnrunzeln kehrte wieder. »Nicht wegen Steady.« Sie sah Padillo an. »Wegen dir und Isabelle.«
Padillo starrte sie an, während seine rechte Hand automatisch kurz in seiner Hemdtasche nach den Zigaretten suchte, die er vor fünf Jahren aufgegeben hatte. »Mein Gott, Mädchen«, sagte er. »Zwischen Isabelle und mir war es aus, als du dreizehn oder vielleicht vierzehn warst.«
Auch wenn ihre Miene Mitleid auszudrücken schien, lag in Erika McCorkles Stimme nur Verachtung, als sie sagte: »Du hast keine Ahnung, nicht wahr?«
»Wovon?« fragte Padillo.
»Von den bösartigen Tagträumen, die eine liebeskranke Dreizehnjährige haben kann, wenn der Mann, in den sie verliebt ist, jemand anders fickt.«
Mit ruhigem Kopfnicken sagte Padillo: »Mach weiter.«
»Womit?«
»Damit, wieso es deine Schuld ist.«
»Weil ich mit offenen Augen davon zu träumen pflegte und … und … oh, Gott, es tut mir so leid, daß sie tot ist.«
McCorkle beugte sich zu seiner Tochter. »Erika, darf ich etwas sagen?« fragte er mit sanfter Stimme.
Sie nickte.
»Dies ist das dümmste gottverdammte Gespräch, das wir jemals gehabt haben.«
Es war, als hätte er sie geschlagen. Zuerst kam die Überraschung, dann der Schmerz und schließlich
Weitere Kostenlose Bücher