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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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»Sir?«
    Bolitho blickte ihn an. »Erinnerungen. Ich habe hier ein altes Schiff zurückgelassen. Aber ich bekam es wieder. In jenem berühmten Oktober, sechs Tage vor Trafalgar. Einige sagen, daß wir die Waagschale zu Nelsons Gunsten verändert hätten … aber das kann nur die Geschichte entscheiden. Ich muß oft daran denken und an die Tatsache, daß nur mein Neffe Nelson von Angesicht zu Angesicht kennengelernt hat. Ich freue mich für ihn, er wird es niemals vergessen.«
    Und plötzlich ging ihm Catherine durch den Kopf, und wie sie sich als Verräterin gefühlt hatte – obwohl sie es als erste geahnt hatte. Andere durften es niemals erfahren. Das Mädchen mit den Mondlichtaugen und der junge Kapitän. Vielleicht war auch das Schicksal.
    Er wandte sich ab. Sein neuer Flaggleutnant mußte ihn für verrückt halten. Wahrscheinlich bereute er schon seinen Entschluß, die alte müde
Canopus
in Chatham verlassen zu haben. Sie gingen weiter. Ein paar Werftarbeiter hievten eine Spiere mit einer Talje an den Vormast einer Fregatte. Sie winkten, und einer rief: »Viel Glück, Sir Richard! Machen Sie den Scheißern Feuer unter dem Arsch!«
    Bolitho hob seinen Dreispitz und erwiderte: »Gebt uns die Schiffe, Jungs! Den Rest erledigen wir dann schon!« Alle lachten, als wäre das ein großartiger Witz gewesen.
    Aber Avery sah Bolithos Gesicht, als er sich von ihnen abwendete. Seine Augen waren so bitter wie seine Stimme: »Es ist alles prima, wenn man nicht selber hinausfahren und die Schlachten schlagen muß.«
    »Ich glaube, sie haben es gut gemeint, Sir Richard.« Bolitho entgegnete kühl: »Denken Sie das? Dann tun Sie mir leid.« Und er packte Averys Arm und rief: »Es tut mir leid, ich habe es nicht so gemeint!«
    Sie erreichten die Hauptpier. Bolitho blieb stehen und betrachtete die vermurten Schiffe, das endlose Gewusel der kleinen Hafenbarkassen. Seine Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
Ich brauche dich, Kate.
Auf unerklärliche Weise war er sicher, daß sie ihn hörte. Er spürte, wie die Sonne auf seinen Rücken brannte, das Medaillon klebte an seiner feuchten Haut unter dem Hemd. Es war eines der neuen, die sie ihm gekauft hatte. Irgendwie half ihm das, sich zu beruhigen. Er erinnerte sich daran, daß er als junger Leutnant nur über ein Paar ungestopfter Strümpfe verfügt hatte. Fast hätte er gelächelt.
Gesegnet seist du, Kate … du hast mich gehört.
    Avery bemerkte ruhig: »Das Boot kommt, Sir Richard.« Er schien Angst zu haben, den Gedankengang seines Vorgesetzten zu unterbrechen. Er war nicht so schüchtern oder so leicht zu durchschauen, wie es Jenour gewesen war; er war sehr verschlossen, abwartend.
    Bolitho sah, daß eine schmucke Gig eine festgemachte Hulk rundete und auf die Pier zuhielt. Die Riemen hoben und senkten sich wie weiße Walknochen. Er berührte sein Auge, und sofort fragte Avery: »Kann ich Ihnen helfen, Sir Richard?«
    »Ich habe etwas ins Auge bekommen.« Die Lüge ging ihm leicht von den Lippen. Aber wie lange würde es dauern, bis Avery, wie vor ihm Jenour, die Wahrheit erkennen würde?
    »Wer ist im Boot?«
    Avery schien fürs erste zufriedengestellt zu sein. »Ein Leutnant, Sir.«
    Es war seltsam, daß jetzt nicht Allday neben ihm war, der die Bootsbesatzung und alles andere kritisch mustern würde. Er war auch nicht in der Gig.
    Avery kommentierte: »Das Boot ist auf Zack, Sir Richard.«
    Der Bugmann stand schon mit dem Bootshaken bereit. Der Leutnant neben dem Bootssteuerer lauerte auf den richtigen Augenblick: »Auf Riemen! Riemen hoch!« Jedes Blatt fluchtete exakt mit dem nächsten. Während der kurzen Zeit seit der Indienststellung mußte da ein erheblicher Drill erfolgt sein.
    Die Gig glitt längsseits an die mit Seegras bedeckten Treppenstufen, und der Bugmann hakte sich in einen Festmacherring ein.
    Der Leutnant stolperte an Land. Er hatte seinen Hut schon in der Hand, als er umständlich Haltung annahm.
    »Finlay, Sir Richard, Vierter Leutnant.«
    Bolitho sah, daß die Augen des jungen Offiziers unruhig zwischen ihnen hin- und herwanderten, vom berühmten Vizeadmiral zum Leutnant mit der goldenen Adjutantenkordel an der Schulter.
    »Sehr gut, Mr. Finlay, Sie haben eine beeindruckende Bootscrew.« Er sah, daß der Leutnant blinzelte, als sei er kein Lob gewöhnt.
    »Danke, Sir Richard.«
    Avery kletterte nach unten und nahm im Heck Platz, dann blickte er nach oben zu seinem neuen Chef. Der hatte sich umgedreht, eine Hand schützend über die Augen gelegt und

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