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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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schon näher war, ihre Masten ragten hoch in den Himmel. Das Red Ensign flatterte über der Heckreling, der Union Jack am Bug. Er studierte die eindrucksvolle Galionsfigur der
Valkyrie
: Eine Frau mit einem Wikingerhelm und Brustpanzer, eine von Odins treuen Dienerinnen, die mit erhobenem Arm einem toten Helden den Weg nach Walhalla wies. Er war überrascht, daß die schön geschnitzte Figur nur mit der matten gelben Werftfarbe angestrichen war. Das war seltsam, denn die meisten Kommandanten zahlten aus eigener Tasche die Goldauflagen der Galionsfigur und der Heckverzierungen, so wie es Adam für die verführerische Nymphe auf der
Anemone
gemacht hatte. Daran war abzulesen, daß das Schiff einen erfolgreichen Kommandanten hatte, der geneigt war, auch etwas von seinen Prisengeldern auszugeben. Es war nur eine Nebensächlichkeit, aber Trevenen schien seltsamer zu sein, als er vermutet hatte. Er wußte noch immer nicht, warum sein Vater die Familie Trevenen nicht gemocht und sein Großvater sie sogar verflucht hatte. Land, Eigentum oder irgendein anderer Streit – es konnte alles mögliche sein.
    Er betrachtete die Hauptartillerie, als die Gig unter dem aufragenden Klüverbaum durchfuhr. Es waren mächtige Achtzehnpfünder. Dabei waren viele der älteren Fregatten noch mit Zwölfpfündern bestückt, wie seine damals auch. Er hatte gehört, daß die junge amerikanische Marine noch weitergegangen war und ihre großen Fregatten mit Vierundzwanzigpfündern ausgerüstet hatte. Sie waren zwar schwerer zu handhaben, aber eine Breitseite konnte jeden Gegner entmasten, bevor er selbst in Schußweite kam.
    Die Gig wendete in einem engen Bogen, und Bolitho sah die Männer an der Relingspforte, die sauber gestauten Hängematten in den Finknetzen, die frische Farbe, die sich im Wasser spiegelte.
    »Boot ahoi!« Der alte Anruf erklang über das Wasser, obwohl die Ferngläser schon längst festgestellt hatten, daß der erwartete Flaggoffizier an Bord war. Der Leutnant hob eine Flüstertüte und erwiderte: »Flagge,
Valkyrie

    Bolitho mußte an Allday denken. Er hätte nur eine Hand an den Mund gehalten, um verständlich zu sein.
    Avery sah, daß Bolitho den blitzenden Ehrendegen zurechtrückte. Es war ein steiler Aufstieg an der Seite der Fregatte, außerdem war er rutschig. Kein Offizier, geschweige denn ein Admiral, wollte kopfüber ins Wasser fallen, weil er über seinen Degen stolperte. Das schoß auch Bolitho durch den Kopf. Allday war immer an seiner Seite, um ihm bei Bedarf zu helfen. Und seit er von dem verletzten Auge wußte, war er noch fürsorglicher geworden.
    Mit hochgestellten Riemen hakte die Gig in den Großrüsten ein, Bolitho ergriff die Handläufer, wartete, bis das Boot von einer Welle angehoben wurde, und kletterte dann schnell auf das Hauptdeck. Die Seesoldaten präsentierten das Gewehr, eine Wolke von Talkum schwebte über den glitzernden Bajonetten, die Pfeifen zwitscherten, und die kleine Kapelle aus Trommelbuben und Querflöten intonierte
Heart of Oak.
Nach der Stille in der Gig war es ohrenbetäubend.
    Bolitho hob grüßend seinen Hut in Richtung Achterdeck und Flagge, während sich am Fockmast seine eigene Flagge im Wind entfaltete.
    Kapitän Trevenen trat vor seine Offiziere, sein faltiges Gesicht war ernst. »Willkommen an Bord, Sir Richard, ich bin geehrt, daß Sie Ihre Flagge auf meinem Schiff setzen, wenn auch nur vorübergehend.«
    Bolitho antwortete ebenso förmlich: »Ein schönes Schiff, Kapitän Trevenen.« Er hörte, daß Avery hinter ihm an Bord kam. Wahrscheinlich fragte er sich, wie er sich auf der
Valkyrie
fühlen würde, nachdem er zuvor auf einem Linienschiff gewesen war.
    Er blickte zu den zusammengedrängten Männern auf den Laufstegen und Wanten, auf die Ansammlung aus Weiß und Blau auf dem Achterdeck, wo die Leutnants und Deckoffiziere in respektvollem Schweigen verharrten.
    Trevenen fuhr fort: »Ihr Quartier ist vorbereitet, Sir Richard. Sollten Sie irgend etwas benötigen, werde ich mein Bestes tun, um es zu beschaffen.« Seine tiefliegenden Augen musterten Bolithos Uniform und den Orden vom Nil an seinem Hals, auch der Ehrendegen wurde registriert.
    »Vielleicht möchten Sie meine Offiziere demnächst kennenlernen?«
    Ruhig blickte ihn Bolitho an. »Bis Kapstadt ist es eine lange Reise, Kapitän Trevenen, ich hoffe, daß ich bis dahin jeden Mann kenne.« Er hatte gesprochen, ohne die Stimme zu erheben, sah aber die tiefliegenden Augen funkeln, als ob er eine Beleidigung

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