Daemmerung ueber der See
selber nach oben, Aubrey. Sie halten das Schiff auf Kurs, bis ich etwas anderes befehle!«
Er schwang sich in die Wanten, das Teleskop um die Schulter geschlungen. Dann wandte er sich seinem Ersten zu und meinte ruhig: »Zumindest wird es den Leuten zeigen, daß sie von keinem Krüppel kommandiert werden.«
Er hatte nie Höhenangst gekannt, auch nicht als junger Fähnrich, anders als sein geliebter Onkel, der ihm seine jugendlichen Ängste im Masttopp gebeichtet hatte. Einmal blickte er nach unten und sah die schäumende weiße Bugwelle, die kleinen Gestalten auf dem Achterdeck und dem Laufsteg, der der Insel zugewandt lag. Freiwillige und Gepreßte, die Guten und die Schlechten, einige nur knapp der Schlinge des Henkers entronnen. Eines schweißte sie alle zusammen: Das Schiff mußte das wichtigste in ihrem Leben werden. Er erreichte die Großmastsaling und nickte dem Ausguck zu, einem älteren Matrosen namens Betts, der Augen wie eine Raubmöwe hatte. »Unsicher, Betts?« Er zog das Teleskop aus und legte ein Bein um ein Stag.
»Weiß nich', Sir, sieht irgendwo aus wie 'n Zweidecker, aber …«
Adam stellte das Fernglas sorgfältig ein und wartete, daß sich die
Anemone
aus einem langen Wellental schob. »Es ist eine Fregatte, Betts, Sie waren zu recht verwirrt.« Er blinzelte, um den Blick freizubekommen. Vielleicht war es die
Valkyrie
, von der er soviel gehört hatte, aber das verwarf er sofort wieder. Sein Onkel würde in Gibraltar eine Nachricht über etwaige Änderungen seiner Pläne hinterlassen haben. Ein Franzose? Das würden sie nicht wagen. Es wäre so gefährlich wie das Liegen auf Legerwall, sollte ein englisches Schiff wie die
Anemone
hier auftauchen. Er hielt den Atem an, als eine kleine Bö die Flagge am Heck des anderen Schiffes auswehen ließ: Es waren die Streifen und Sterne der neuen amerikanischen Marine. Er schob das Glas zusammen und beobachtete die Szenerie. Der alte Seemann Betts hatte ohne Teleskop alles Wichtige erkannt – bis auf die Flagge.
Er rutschte an einem Backstag hinunter und ging zu seinen Offizieren auf das Achterdeck. Er war sich der neugierigen Blicke der Männer bewußt, die er zum größten Teil nicht einmal kannte. Bis jetzt.
Er blickte die Offiziere an. »Ein Amerikaner, meine Herren, und ein verdammt großer.«
Jervis Lewis, der frisch an Bord gekommene Dritte Leutnant, erkundigte sich: »Drehen wir ab, Sir?«
Martin blickte ihn verächtlich an. »Wir befinden uns nicht im Kriegszustand mit denen, Sie Trottel!«
Die gemurmelte Bemerkung des Segelmeisters war auch nicht sehr hilfreich: »Soweit wir wissen, Sir.«
Adam lächelte grimmig. »Es waren keine hektischen Aktivitäten zu sehen, er ist auch nur ein Besucher. Erinnern Sie sich daran, was ich vorhin sagte, Mr. Martin? Raubvögel!«
Er ging an die Reling und blickte über das Hauptdeck mit den langen Achtzehnpfündern unter den Laufbrücken. »Mr. Martin, bereiten Sie das Schiff zum Einlaufen vor!« Er blickte sich nach dem Signalfähnrich um. »Mr. Dunwoody, lassen Sie eine neue Nationale anstecken, damit man uns unsere sauberen Absichten auch abnimmt. Bereiten Sie Ihre Männer auf das Empfangen und Abgeben aller möglichen Flaggensignale vor!«
Die Offiziere eilten fort, froh, etwas tun zu können.
Leutnant Martin beobachtete seinen Kommandanten.
Sie,
wer immer es war, würde stolz sein, wenn sie ihn so sehen könnte.
Adam sagte: »Ich gehe unter Deck und ziehe mir ein sauberes Hemd an.« Er warf einen letzten Blick auf die Insel, fast vermeinte er schon den Blumenduft riechen zu können. Es hatte wahrscheinlich nichts zu bedeuten, aber seine innere Stimme begann sich warnend zu melden.
Der große Anker fiel genau um zwei Glasen klatschend in das klare Wasser. Die Sonne, die hoch über den Mastspitzen stand, ließ Adam bald seinen dicken Uniformrock spüren. Sein Hemd, das ihm sein Steward bereitgelegt hatte, klebte schon wieder feucht an seinem Körper. Viele Schiffe lagen vor Anker oder an den Kais. Es waren Schiffe aller möglichen Typen unter allen denkbaren Flaggen, so verschieden wie die Männer, die darauf dienten. Aber die amerikanische Fregatte überragte sie alle. Quer über ihrem Heck und unter der wehenden gestreiften Flagge stand ihr Name in goldenen Lettern:
Unity.
Nachdem die
Anemone
in die Ankertrosse eingetörnt hatte und ruhig über ihrem Spiegelbild lag, sah Adam das Vorschiff des Schiffes, es war blau gestrichen und mit goldenen Sternen verziert. Die Galionsfigur stellte einen
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