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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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antreten lassen.« Er machte eine vage Geste in Richtung der Heckfenster. »Die meisten meiner Royal Marines schieben Wache, bis die
Prince Henry
morgen den Anker lichtet.«
    Bolitho hatte das Schiff gesehen, als die Gig die Reede überquert hatte: groß, alt und vernachlässigt. Noch bevor ein Wachboot auf sie zugeschossen kam, hatte er gewußt, wozu es diente. Es war ein Sträflingstransporter. Er war dankbar, daß Keen nicht hier war, es würde ihn nur daran erinnern, wie er Zenoria zum ersten Mal gesehen hatte. Gefesselt wie eine gemeine Verbrecherin, das Kleid am Rücken zerrissen, während Gefangene, Wächter und Seeleute sie in dumpfer Vorfreude betrachteten. Sie hatte gerade den ersten Streich auf den nackten Rücken empfangen, der ihre Haut von der Schulter bis zur Hüfte aufgerissen hatte. Die Narbe würde immer bleiben – wie ein Brandmal.
    Sampson erklärte: »Das Schiff ist in einen Sturm gekommen und führt hier Reparaturen durch. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie froh ich bin, wenn ich es von hinten sehe!«
    Der schwarze Diener goß ihnen würdevoll Wein ein.
    »Danke, du lernst schnell.«
    Der Mann lächelte ebenso hoheitsvoll und zog sich zurück.
    »Ich habe ihn von einem Sklavenschiff geholt. Er arbeitet schwer, aber ich glaube, daß er aus einer besseren Familie als die meisten anderen stammt«, erklärte Sampson.
    Er sah Averys fragenden Blick und fuhr traurig fort: »Die Sklavenhändler haben ihm die Zunge herausgeschnitten, aber er hat überlebt und gesehen, wie seine Folterknechte dort drüben an den Bäumen hingen.«
    »Wie ist die
Prince Henry,
Sir?« fragte Avery.
    Sampson hob sein Glas. »Auf Ihr Wohl, Sir Richard! Ich fühle mich in diesem stinkenden Loch am Arsch der Welt, habe aber trotzdem von Ihren mutigen Taten gehört.« Er schüttete den Wein hinunter, der sehr warm war. »Sollte ich etwas nicht mitbekommen, klärt mich Commander Tyacke von der
Larne
auf. Ein merkwürdiger Mann, aber das ist wohl kaum überraschend.« Er schien sich an Averys Frage zu erinnern. »Ein Transporter dieser Art ist immer nur so gut wie der Skipper, Mr. Avery. Kapitän Williams ist ein harter Mann, aber ziemlich fair. Das Schiff wird für viele ein Vorhof der Hölle sein, ein Schlupfloch vor der Henkersschlinge für andere. Es ist voller Verbrecher, Mörder und Missetäter aller Art.
Alle
wollen flüchten, das darf er nie vergessen.«
    Bolitho sah Averys Miene. Ein ausdrucksvolles Gesicht voller unterschwelliger Traurigkeit. Er dachte an den Transporter. Es war ein langer, langer Weg bis zur Sträflingskolonie am anderen Ende der Welt. Er erinnerte sich an Admiral Broughtons kurze Zusammenfassung, als er die Admiralität verlassen hatte: »Ab ins Vergessen!«
    »Ich vermute, daß Sie keine Post für uns haben, Kapitän Sampson?«
    Sampson schüttelte den Kopf. Er war noch nicht alt, aber schon ein Original, wie man es auf James Gillrays bissigen Karikaturen sehen konnte. Ungepflegtes Haar, rutschende Strümpfe und einen Bauch, der die Knöpfe der Weste fast sprengte. Wie die alte
Marathon
würde er seine Tage hier beenden.
    »Nein, Sir Richard, vielleicht nächste Woche.« Er schlug sich so auf den Schenkel, daß etwas Wein auf seinen Rock spritzte. »Verdammt, das hätte ich beinahe vergessen! An Bord der
Prince Henry
ist auch der neue Befehlshaber der Seestreitkräfte in Sydney. Ich denke, daß Sie ihn kennen, Sir Richard.«
    Bolitho griff nach der Sessellehne. Er ahnte schon, was kommen würde. Ruhig meinte er: »Konteradmiral Herrick.«
    Sampson verbeugte sich. »Mein Gedächtnis läßt auch nach, fürchte ich. Ich hatte gehört, daß Sie einander kennen, habe es aber nicht erwähnt, als er an Land kam.« Er zögerte. »Ich möchte Ihrem Freund nicht zu nahe treten, Sir Richard, aber er war nicht sehr gesprächig. Er hat sich angesehen, wie die geretteten Sklaven untergebracht sind, bevor sie in Sicherheit gebracht werden können.«
    Avery setzte sein Glas ab, er spürte, daß sich etwas Wichtiges ereignete. Er wußte von der Kriegsgerichtsverhandlung und daß nur eine veränderte Zeugenaussage Herrick vor dem Schuldspruch gerettet hatte. Es ähnelte zu sehr seinem eigenen Schicksal, als daß er es hätte vergessen können. Es hatte Gerüchte gegeben, daß Herrick Vizeadmiral Bolitho vor Martinique keine Hilfe geleistet hatte. Waren sie noch Freunde?
    Bolitho fragte: »Falls ich die
Prince Henry
besuchen sollte …« Er brach ab, als er das Erstaunen auf Sampsons rotem Gesicht sah. »Ich verstehe,

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