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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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unsicher unter ihrem Marschgepäck und den Waffen hervor. Die roten Röcke verstärkten noch die Hitze. Es waren nur einige Männer, die hier zusammengezogen wurden, und viele Schiffe warteten darauf, sie dort hinzubringen, wo sie benötigt wurden.
    Aber konnten sie sich ihren Weg durch eine schwer verteidigte Inselgruppe bahnen? Allday sah darin keinen Sinn. Aber warum sollte er sich Gedanken machen? Er hatte das alles schon in der Karibik gesehen, die Inseln des Todes, wie die Soldaten sie nannten. Männer von den Feldern Englands, aus den schottischen Garnisonen, den walisischen Tälern oder wo auch immer man ihnen den Schilling des Königs aufgeschwatzt hatte, um sie anzuwerben. Da machte er sich Gedanken! Er grinste. Sir Richard mußte auf ihn abgefärbt haben. Allday hatte miterlebt, daß viele Männer für Inseln verheizt wurden, deren Namen kein Mensch in England kannte. Jedenfalls würden sie dem Feind wieder übergeben werden, sobald dieser verdammte Krieg vorüber war.
    Er versuchte, sich keine Sorgen über Unis Polin zu machen, sondern an ihre letzten ruhigen Minuten im Wohnzimmer des »Stag's Head« in Fallowfield zu denken. Er war immer ein Schürzenjäger gewesen – in mehr Häfen, als er sich erinnern konnte. Aber diesmal war es anders, und er hatte sich fast gefürchtet, sie zu umarmen. Doch sie hatte nur gemeint: »Ich bin nicht zerbrechlich, John Allday, also drück mich feste!«
    Aber auch ihre Fröhlichkeit hatte nicht angehalten. Sie hatte ihren Kopf an seine Brust gelegt und geflüstert: »Komm zurück zu mir! Versprich es!«
    Sie wußte über die Seefahrt Bescheid und über Gefühle wie Loyalität. Sie hatte darüber von ihrem toten Ehemann Jonas Polin, Steuermannsmaat auf der alten
Hyperion,
genug gehört. Die Zeit verging, und in seinem Herzen wußte er, daß auch Sir Richard dieses Mal der Abschied schwergefallen war, auch wenn er sich nicht mit ihm vergleichen wollte.
    Dieses Mal.
Warum? Es hatte ihn beunruhigt und tat es noch.
    Er hörte Schritte hinter sich und stand auf. Es war Leutnant Avery, der verschwitzt und müde aussah. Wieder so ein Nordseeoffizier, gewöhnt an Regen, Wind und noch mehr Regen. Als er darüber nachdachte, wurde ihm klar, wie sehr auch er dieses Wetter vermißte.
    »Rufen Sie das Boot heran, Allday. Sir Richard wird gleich hier sein.«
    Alldays Ruf ließ das Boot zum Leben erwachen, die Riemen erschienen wie durch Zauberhand in den Dollen.
    »Alles in Ordnung, Sir?« Er deutete in Richtung der blendend hellen Gebäude, über denen der Union Jack müde wehte.
    »Vermutlich.« Avery dachte an Bolithos Gesicht, als ihm ein Stabsoffizier einige Briefe überreicht hatte. Er steckte eine Hand in den Uniformrock. »Hier ist ein Brief für Sie, Allday.«
    Er sah zu, wie der große Mann den Brief mit Händen nahm, die kräftig und hornig waren. Allday drehte ihn so vorsichtig hin und her, als könne er zerbrechen. Er wußte, daß er von ihr kam. Wenn er ihn an seine Nase führen würde, könnte er sie riechen. Der süße Geruch des Landes und der Blumen, der Ufer des Helford River und des kleinen Zimmers.
    Er erinnerte sich an ihr Gesicht, als sie über das Gold sprachen, das sie den Meuterern auf der
Golden Plover
abgenommen hatten und das er ihr zur Aufbewahrung gegeben hatte. »Es gehört dir, Unis. Ich möchte, daß du es behältst.« Er hatte den Schock in ihren Augen gesehen und hinzugefügt: »Nach der Hochzeit gehört es dir sowieso.«
    Ernsthaft hatte sie geantwortet: »Aber erst dann, John Allday.«
    Avery beobachtete ihn und fragte sich, von wem der Brief wohl stammen möge.
    Allday sagte plötzlich: »Ich kann nicht lesen, Sir.«
    »Ich lese ihn gern vor, Allday … falls Sie wollen.« Sie blickten sich abwartend an, bis Avery ergänzte: »Ich habe keinen Brief bekommen.«
    Ein Offizier, dachte Allday, einer, den er kaum kannte. Aber der Schmerz, der aus der letzten Bemerkung klang, ließ ihn antworten: »Ich nehme dankend an, Sir.«
    Das Boot kam an der Pier längsseits, der Bugmann kletterte mit der Vorleine an Land. Der Leutnant folgte ihm, rückte seinen Hut zurecht und zog das Hemd glatt.
    »Scheint ein hübscher Ort zu sein, Mr. Finlay.«
    Avery hatte sich ein wenig mit den Schiffsoffizieren eingelassen, was diese sehr wohl geschätzt hatten. Avery kannte die Gründe gut, er hatte sich daran gewöhnt. Doch er hatte noch immer ein ausgezeichnetes Namensgedächtnis. Der Vierte Leutnant murrte irritiert: »Das würden Sie nicht sagen, wenn Sie die ganze

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