Daemmerung ueber der See
Zeit in diesem verdammten Boot gesessen hätten.«
Avery fixierte ihn scharf, seine Augen glühten im hellen Licht: »Ich war in guter Gesellschaft.«
Der Leutnant sah Allday mißmutig an. »Und was treiben Sie hier?«
Ruhig erwiderte Allday: »Ich höre zu.«
»Sie aufsässiger Bursche …«
Avery nahm ihn am Arm und führte ihn beiseite. »Lassen Sie das! Es sei denn, Sie legen Wert auf ein sehr persönliches Gespräch mit Sir Richard Bolitho.«
»Ist das eine Drohung?«
»Besser! Ein Versprechen!«
Der Leutnant riß sich zusammen, als Bolitho und zwei Armeeoffiziere in Sicht kamen. Avery sah sofort, daß der Ärmel des Vizeadmirals schmutzig war. »Alles in Ordnung, Sir Richard?«
Bolitho lächelte. »Natürlich. Die Gastfreundschaft der Armee war vermutlich etwas übertrieben. Ich hätte wohl etwas besser aufpassen müssen.« Die Armeeoffiziere grinsten.
Avery drehte sich um und bemerkte, daß Allday Bolitho besorgt ansah. Er spürte einen kalten Schauder über seinen Rücken laufen – aber warum? Es gab da etwas, wovon er nichts wußte. Aber er hatte diesen Austausch von Blicken schon früher gesehen – hart wie Stahl. Was verband sie?
Bolitho stellte fest: »Ich sehe, daß die
Anemone
an ihrem Liegeplatz ankert.« Er blickte Allday fragend an.
Allday nickte und zog seinen Hut zum Schutz gegen die Sonne weiter in die Stirn.
»Signal ›Kommandant zur Meldung‹ wurde gesetzt, Sir Richard.«
»Gut. Ich will ihn selber sprechen.« Er betrachtete die ankernden Armeetransporter, an deren Riggs frischgewaschene Hemden und Decken hingen. Mehr zu sich selbst sagte er: »Ich glaube nicht, daß wir hier eine professionelle Armee haben. Jedenfalls noch nicht.« Etwas anderes schien ihm in den Sinn zu kommen. »Zwei Briggs werden unser Geschwader verstärken, die
Thruster
und die
Orcadia.«
Avery erstarrte, genau wie der Leutnant im Boot, als Allday ausrief: »Wir werden Mr. Jenour nicht los, Sir!« Avery wußte, daß Jenour sein Vorgänger gewesen war. Er hatte gehört, daß er Bolitho nach seiner Beförderung zum Commander nach der Schlacht gegen Baratte nicht hatte verlassen wollen. Ein eigenes Kommando war der Traum eines jeden Offiziers, und Jenour hatte darauf verzichten wollen.
Würden sie hier draußen, wo zwei große Ozeane aufeinandertrafen, sich wieder mit Baratte anlegen? Würde er danach auch die Chance bekommen? Er blickte auf Bodenbretter, um seine Bitternis zu verbergen. Wenn ja, würde er die Gelegenheit mit beiden Händen packen.
Allday murmelte: »
Anemones
Gig liegt noch immer längsseits, Sir Richard.«
Bolitho biß die Zähne zusammen. Was hatten die beiden Kapitäne am Vormittag so lange zu besprechen?
»Achten Sie auf den Schlag, Mann!«
Bolitho sah den betreffenden Ruderer zusammenzucken, voller Angst, daß er unter den Augen des Kommandanten das Anlegemanöver versauen könnte. Der Vierte Offizier war mindestens so ängstlich wie der Matrose, versuchte es aber zu verbergen.
Bolitho tastete in seiner Brusttasche nach den zwei Briefen von Catherine. Sie würde mit ihren Worten wieder bei ihm sein, die sechstausend Meilen würden für eine gewisse Zeit keine Rolle mehr spielen.
Er hörte das Stampfen von Marschtritten und das Klirren von Waffen, als die Seesoldaten sich zur Ehrenwache formierten.
Er blickte zu den aufragenden Masten und den sauber zusammengelegten Segeln empor. Wie sich das Schiff doch von jeder anderen Fregatte unterschied. Mit einer Besatzung von zweihundertsiebzig Offizieren, Seeleuten und Marines wäre sie bei richtiger Führung eine ausgezeichnete Waffe. Auf der ersten Fregatte, die er kommandiert hatte, waren nur drei Leutnants gewesen, genau wie es auch heute noch üblich war. Er runzelte die Stirn. Einer von ihnen war Thomas Herrick gewesen.
Er blickte auf seinen Uniformrock und fragte sich, ob jemand seine nachlassende Sehkraft bemerkt hatte. Er hatte die Stufe übersehen, so wie damals in Antigua, wo er auch gestürzt wäre, hätte ihn nicht eine Dame gestützt, die ihn mit ihrem Gatten erwartet hatte: Catherine.
Allday flüsterte: »Ozzard hat das bald gesäubert, Sir Richard.«
Ihre Augen trafen sich, und Bolitho erwiderte schlicht: »Es ist nichts.« Also wußte er Bescheid.
Auf dem Deck hielten die Matrosen kaum in ihrer Arbeit inne, um den Vizeadmiral zu beobachten, der unter ihnen weilte. Die Ehrenwache wartete darauf, wegtreten zu können. Ein paar Männer schwabberten das Deck unter dem Backbordlaufgang ab. Es sah aus wie Blut. Wieder
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