Daemmerung ueber der See
dem schrecklichen Ende der
Golden Plover
und ihrem Wiedersehen, dann die Freude über die Geburt ihres Sohnes. Alles konnte verloren sein, sobald Keen sein Geschwader übernahm.
Ein eifersüchtiges Gefühl hatte sie durchzuckt, als Keen von dem wahrscheinlichen Zusammentreffen mit Richard in Kapstadt gesprochen hatte. Er war sicher gewesen, daß man Mauritius erobern würde, um die Handelsrouten ein für allemal zu sichern.
»Wird es schwer werden, Val?«
Keen hatte zurückhaltend geantwortet: »Es ist immer einfacher, eine Insel zu verteidigen, als sie zu erobern. Stehen genug Soldaten zur Verfügung und hat Sir Richard das Ruder in der Hand, sollte es möglich sein.«
Catherine hatte sich zwingen müssen, nicht die junge Frau anzublicken, als Keen enthusiastisch gemeint hatte: »Wenn Adam dabei ist, wird es sein wie in alten Zeiten.«
Vielleicht war das eine Illusion, doch Seeleute müssen zur See fahren, sogar der arme Allday hatte eine schwierige Entscheidung treffen müssen.
Sie mußte an den Brief denken, der sie nach ihrer Rückkehr aus Fowey erwartet hatte. Richard hatte ihn in Gibraltar geschrieben. Als der Regen plötzlich nachließ, blickte sie zum Fenster, heller Mondschein fiel auf das Haus. November – und das war sein erster Brief. Vielleicht würden bald viele folgen. Es war ein Brief voller Liebe und Zärtlichkeit. Er hatte wenig von der
Valkyrie
und ihrem Kommandanten geschrieben, auch nicht über Adam, nur, daß sie auslaufen würden, ohne auf die
Anemone
zu warten.
Jeder Tag ohne dich ist eine Prüfung, meine liebe Kate, und wenn du in der Nacht nicht zu mir kommst, sehne ich mich mit jeder Faser nach dir. Vor ein paar Nächten, als wir Kap Finisterre rundeten und der Wind versuchte, uns auf die Leeküste zu drücken, warst du bei mir. In der Kabine war es dunkel wie in einem Teerfaß, aber du standest am Heckfenster, dein Haar wehte im Wind, obwohl alles dicht war. Du hast mich angelächelt, und ich sprang auf, um dich zu umarmen. Aber als ich dich küßte, waren deine Lippen kalt wie Eis. Dann war ich wieder alleine, doch fühlte ich mich gut, weil dein Besuch mir Stärke verliehen hatte.
Sie setzte sich auf das Bett und las den Brief noch einmal. Er war ein scheuer, übersensibler Mann, der viel gab, während andere nur forderten.
Es ist immer einfacher, eine Insel zu verteidigen, als sie zu erobern.
Aus Keens Mund klang das merkwürdig. Etwas, was er von Richard gelernt hatte. Genau wie all die anderen, die sie kannte, sich Richards Erfahrungen angeeignet hatten: Oliver Browne, Jenour und jetzt vielleicht bald auch sein neuer Flaggleutnant George Avery.
Im nächsten Monat würden sich alle auf das Weihnachtsfest vorbereiten. Wie schnell war es wieder herangekommen. Die ganze Zeit würde sie gierig auf Nachricht warten, dem Postjungen auflauern;
ihm
schreiben und sich Gedanken machen, ob er ihre Briefe erhielt.
Sie stand auf und ging zum Fenster. Die meisten Wolken hatten sich verzogen, einige trieben noch im feuchten Südwestwind wie massive Gebirge durch das Mondlicht. Catherine nahm das Negligé, und einen Augenblick lang stand sie nackt da, nachdem sie das schwere Kleid auf den Stuhl geworfen hatte. Sie blickte in den großen Spiegel, vor dem Richard sie mit ausgesuchter Langsamkeit entkleidet hatte. Seine starken Hände waren suchend über ihren Körper geglitten, so wie sie es sich von ihm gewünscht hatte.
»Ich bin bei dir, Richard. Wo immer du auch bist, ich bin bei dir!«
In der plötzlichen Stille meinte sie zu hören, wie er ihren Namen rief.
Sir Paul Sillitoe blieb vor einem der großen Fenster der Admiralität stehen und blickte auf die Kutschen, die im ständigen Nieselregen wie poliertes Metall glänzten. Er fragte sich, warum er solch ein Leben führte. Er hatte zwei Landgüter in England und Plantagen auf Jamaica, wo er sich die Kälte aus den Knochen vertreiben konnte.
Er kannte natürlich den Grund genau, und sogar seine momentane Unzufriedenheit war nur eine Facette seiner ungeduldigen Natur.
Es war November, fast drei Uhr am Nachmittag, und man konnte kaum die andere Straßenseite erkennen. London war naß, kalt und widerwärtig.
Er hörte, daß Sir James Hamett-Parker den Raum wieder betrat, und fragte: »Ist das Geschwader fertig zum Auslaufen, Sir James?« Er wandte sich halb um und sah die Last der Verantwortung im Gesicht des Admirals. Hamett-Parker schien die Schwierigkeiten unterschätzt zu haben.
»Ich habe die Befehle heute abgeschickt. Sobald
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