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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Bord!«
    Herrick hörte ein Aufklatschen und stellte sich das Bündel vor, das immer tiefer in die absolute Dunkelheit fiel.
    Befehle erklangen, und die Matrosen eilten an die Fallen und Brassen. Die Rahen wurden getrimmt, bis der Wind wieder eingefangen war und sich das Deck unter dem zusätzlichen Druck der Royals überlegte.
    Williams befahl: »Entern Sie mit einem Glas auf, Mr. Spry! Der Ausguck ist ein guter Mann, aber er wird nur sehen, was er will.«
    Herrick sah einen großen Fisch aus dem ruhigen Wasser springen, nur um dann zwischen den Fängen eines wartenden Räubers zu landen. Er hatte Williams Bemerkung gehört. Da sprach ein echter Seemann: Nichts ist selbstverständlich!
    Ein paar Wachen tauchten aus einer der Luken auf, und etwa zwanzig Gefangene wurden grob in das Sonnenlicht gestoßen. Herrick beobachtete, daß sich eine der Drehbrassen leicht bewegte, der Geschützführer wartete nur darauf, die Reißleine zu ziehen, was diese Menschen in einen blutigen Haufen verwandeln konnte. Es war eine armselige Ansammlung, dreckig und unrasiert blinzelten sie wie alte Männer in den Sonnenschein. Einer trug Fußeisen. Er legte sich bei den Speigatten an Deck, sein bleiches Gesicht von den anderen abgewandt.
    Jemand sagte: »Spar dir dein Mitleid, Silas, sie spucken dich schneller an, als du gucken kannst.«
    Herrick mußte wieder an Bolitho denken.
Ich hätte daran denken müssen, ihn nach seinem Auge zu fragen.
Wie ging es ihm? Hatten die anderen schon bemerkt, daß etwas nicht stimmte?
    Mit einem dumpfen Aufprall kam der Steuermann wieder an Deck, er war an einem Backstag heruntergerutscht. Einer Landratte wären die Hände in Fetzen gerissen worden.
    »Eine Brigantine, Sir, ziemlich klein.« Er blickte nach achtern, als erwartete er, die Segel am Horizont sehen zu können.
    »Sie holt uns ein.«
    Williams blickte nachdenklich. »Hier draußen kann es kein Sklavenjäger sein. Kein Löschhafen für diese Ladung in dieser Richtung.«
    Der Steuermann zögerte. »Wenn es nun ein Pirat ist?«
    Williams grinste breit und schlug ihm auf die Schulter.
    »Sogar ein Pirat wäre nicht verrückt genug, um zweihundert zusätzliche Mägen füllen zu wollen, und mehr haben wir kaum zu bieten.«
    Herrick bemerkte: »Sollte es ein Feind sein, können Sie ihn vertreiben.«
    Williams sah wieder sorgenvoll aus. »Darum geht es nicht, Sir, es sind die Gefangenen. Wenn sie durchdrehen, können wir sie nicht unter Kontrolle halten.« Er blickte seinen Steuermann an. »Greifen Sie sich den Stückmeister und sagen Sie ihm, daß er alles vorbereiten soll. Wir haben sechs Zwölfpfünder, die unter meinem Kommando noch nicht abgefeuert wurden.« Der Steuermann ergänzte wenig hilfreich: »So wie sie aussehen, auch vorher nicht.«
    Ein Matrose, der in der Nähe des Niedergangs spleißte, stand auf und deutete nach achtern. »Da ist sie, Sir!«
    Herrick nahm ein Teleskop aus dem Gestell neben dem Kompaßhäuschen und ging damit nach achtern. Das andere Schiff lief sie schnell auf. Mit dem ausgezogenen Teleskop konnte er die schwellende Fock und die Stagsegel erkennen, die Segel des anderen Mastes wurden vom Mars- und Bramsegel völlig abgedeckt. Sie nutzte den Wind, der es nicht schaffte, die
Prince Henry
außer Reichweite zu bringen, optimal aus.
    »Sie hat die brasilianische Flagge gesetzt, Sir!«
    Herrick grunzte. Flaggen bedeuten wenig. Sein professionelles Auge registrierte schnell die Einzelheiten. Flott und händig, ein Arbeitspferd, doch ein Brasilianer hier draußen, das war unwahrscheinlich.
    Spry fragte: »Werden wir kämpfen, wenn sie uns angreift, Sir?«
    Williams leckte seine trockenen Lippen. »Vielleicht wollen sie Verpflegung oder Wasser?« Bitter fügte er hinzu: »Wir haben kaum genug für uns selbst.« Er traf seine Entscheidung.
    »Alle Gefangenen nach unten. Informieren Sie den Stückmeister, er soll die Waffen verteilen.« Er drehte sich zu dem grauhaarigen Seeoffizier um, doch Herrick war verschwunden.
    Ein Matrose murmelte: »Ein schmuckes Schiff!« Der Respekt eines Seemanns für ein gut geführtes Schiff, egal, ob es ein feindliches war oder nicht.
    In seiner Kabine stand Herrick vor einer seiner Seekisten. Nach einigem Zögern öffnete er sie, so daß seine Admiralsuniform in den Reflexen des Sonnenlichts zu erwachen schien. Er nahm die Metallkiste mit seinen besten Epauletten heraus. Dulcie hatte sie immer so gerne an ihm gesehen. Er zog eine Grimasse, denn es waren dieselben, die er vor dem Kriegsgericht

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