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Daemmerung ueber der See

Daemmerung ueber der See

Titel: Daemmerung ueber der See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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getragen hatte. Er streifte seinen Rock und die Hosen ab und zog sich langsam und methodisch an, die schnelle Brigantine immer im Gedächtnis. Er dachte darüber nach, sich zu rasieren, doch sein Sinn für Disziplin ließ ihn den Gedanken verwerfen. Auf diesem schäbigen Sträflingsschiff war die Wasserration für alle dieselbe. Sogar der Schurke, der jetzt das Ende seiner letzten Reise auf dem Meeresgrund erreicht haben mochte, hatte nicht weniger bekommen als der Kommandant.
    Er setzte sich hin und kritzelte ein paar Worte auf ein Stück Papier, versiegelte es und versteckte es dann sorgfältig in dem langen Lederetui des Teleskops. Er musterte sich im Spiegel, die Epauletten mit dem silbernen Stern, von denen er nie zu träumen gewagt hatte. Er lächelte sogar ohne Bitterkeit. Die Karriere war für den Sohn eines armen Buchhalters aus Kent überraschend erfolgreich verlaufen.
    Hinter den dicken Glasfenstern bewegte sich etwas. Dann schoß das andere Schiff in den Wind, das Manöver perfekt ausgeführt, sogar als die Segel gekürzt wurden. Er hörte überraschte Rufe, als die grüne brasilianische Flagge vom Besanpiek verschwand und sofort durch die Trikolore ersetzt wurde. Herrick nahm seinen Degen und hängte ihn am Gürtel ein. Ohne Eile warf er einen letzten Blick in die Kabine, dann ging er zum Niedergang.
    »Es ist ein Franzose!«
    Williams fiel die Kinnlade herunter, als er Herrick so ruhig in seiner Uniform sah.
    »Ich weiß.«
    Williams war plötzlich wütend. »Geben Sie dem Bastard eine Kugel, Stückmeister!«
    Der Knall des Zwölfpfünders rief unter Deck Schreckensschreie hervor und ließ die Weiber kreischen.
    Herrick schnappte: »Feuer einstellen!«
    Zwei Blitze zuckten über dem niedrigen Rumpf der Brigantine auf, und eine Ladung Kartätschen explodierte im Achterschiff. Die beiden Rudergänger stürzten. Mr. Spry kniete auf dem Deck und blickte auf das Blut, das aus seinem Bauch strömte, dann fiel er vornüber und starb.
    »Sie drehen bei! Sollen wir die Enterer zurückschlagen, Sir?«
    Williams rief zu Herrick hinüber: »Was soll ich tun?«
    Herrick sah das Boot ablegen, die hart aussehenden Ruderer pullten kräftig in Richtung des Gefangenentransporters. Die Brigantine stampfte mit backen Segeln auf und ab. Er sah die Kanonen, die nach dem Schuß ausgewischt wurden. »Sie haben Ihren Mut bewiesen, Kapitän, aber dafür sind Männer gestorben.«
    Die Hand des Kapitäns lag an der Pistole. »Die bekommen mich nicht, sollen sie verdammt sein!«
    Herrick sah, daß eine weiße Flagge dort im Boot wehte. Er erkannte den in goldenen Lettern geschriebenen Namen am Heck des anderen Schiffes:
Tridente.
    »Halten Sie Ihre Hand ruhig, Kapitän. Folgen Sie meinen Anordnungen, und Ihnen wird kein Leid geschehen.«
    Das Boot hakte ein, und ein paar Sekunden später schwärmten zerlumpte Gestalten über das Deck. Sie waren bis an die Zähne bewaffnet und mochten jeder nur denkbaren Nationalität angehören.
    Herrick sah unbeteiligt zu. Jemand rief: »Alles unter Kontrolle, Leutnant!« Amerikanischer oder kolonialer Akzent. Doch der Mann, der als letzter das Deck der
Prince Henry
betrat, war so französisch, wie man es sich nur vorstellen konnte. Er nickte Williams kurz zu, dann ging er direkt auf Herrick zu. Später erinnerte sich Williams, daß Herrick seinen Degen schon ausgehakt hatte, so als ob er damit gerechnet hätte.
    Der Leutnant berührte grüßend den Hut. »M'sieur 'errick?« Er sah ihn ernst an. »Die Wechselfälle des Krieges. Sie sind mein Gefangener.«
    Die Brigantine setzte Segel, als das Boot längsseits kam. Alles schien nur Minuten gedauert zu haben. Erst als Williams seinen toten Steuermann und die wimmernden Männer am Ruder sah, begriff er.
    »Rufen Sie Mr. Prior, er kann seinen Platz einnehmen!« Er blickte auf die Pistole, die noch immer in seinem Gürtel steckte. Die meisten Marineoffiziere hätten ihm befohlen, bis zum bitteren Ende zu kämpfen, zur Hölle mit den Konsequenzen. Für Herrick hätte er genau das getan. Schwerfällig befahl er: »Wir laufen nach Kapstadt zurück!«
    Herrick hatte sich sogar die Mühe gemacht, seine Große Uniform anzulegen, dachte er. Als er zur
Tridente
hinüberblickte, oder wie immer ihr richtiger Name sein mochte, sah er, daß sie unter dem Druck der großen Segelfläche bereits ihren Kupferbeschlag zeigte.
    Sogar die Gefangenen waren ruhig, so als ob sie wüßten, wie knapp es gewesen war.
    Herricks letzte Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf.
Ich

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