Daemmerung ueber der See
erwähnt hatte.
»Wir greifen beide gleichzeitig an. Es ist zu wenig Zeit und Raum für einen zweiten Anlauf. Also doppelte Ladung, bitte, und ausrennen!« Einen Moment später rief er: »Eine Guinee für den ersten Geschützführer, der eine Spiere runterholt!«
Martin zögerte trotz der hektischen Aktivität der Männer, die die Kugeln einrammten und die Pfropfen feststießen. Es war wie in einem Wettkampf, genau wie es ihnen der Kapitän beigebracht hatte.
»Sie haben nie daran gezweifelt, nicht wahr, Sir?«
Dann eilte er fort, ohne auf eine Antwort zu warten, wenn es denn eine gegeben hätte. Die Kanonen rollten quietschend aus den Pforten. Martin zog seinen Degen, dann blickte er zum Achterdeck. Er sah zweierlei: Der Kommandant warf das bewußte Entermesser über Bord, und er klopfte Richie auf den Rücken.
»Einzelfeuer, sobald das Ziel aufgefaßt ist!«
Die Geschützführer hockten zusammengekrümmt hinter den schwarzen Lafetten, die Reißlinien waren straff gespannt.
Wie ein Racheengel schob sich die
Anemone
zwischen die beiden Schiffe, die es nicht geschafft hatten, die Anker zu kappen. Der Abstand zur Brigg betrug etwa eine halbe Kabellänge, und die Brigantine lag nur fünfzig Meter entfernt, als Adam seinen Degen senkte.
Das Donnern der Geschütze hallte über die Lagune. Hier und dort fiel ein Mann, wahrscheinlich von einer Musketenkugel getroffen, aber die Antwort der Seesoldaten kam schnell und schrecklich.
Die
Tridente
verlor ihren Fockmast, das Deck war mit den Überresten des Riggs übersät.
»Klar zum Aufschießer!«
Martin vergaß sich und packte den Arm seines Kommandanten. »Sehen Sie! Sie streichen die Flagge! Die Hunde ergeben sich!«
Aber Adam hörte ihn nicht. Alles, was er hörte, waren die Hochrufe seiner Männer. Zum ersten Mal jubelten sie ihm zu. Er war plötzlich todmüde. »Bringen Sie sie zu Anker und setzen Sie die Boote aus!« Konteradmiral Herrick konnte noch
an Bord der Brigantine sein, aber in seinem Innersten wußte Adam, daß er es nicht war.
Als der Anker ins Wasser klatschte, verließ er das Achterdeck und ging zu seinen Männern. Sie waren erstaunt über das, was sie geleistet hatten, überrascht, daß sie noch lebten. Sie nickten ihm zu und grinsten, als er vorbeiging. Leutnant Dacre hatte eine Bandage am Kopf, wo ein Splitter nur knapp sein Auge verfehlt hatte. Adam legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Sie haben sich gut geschlagen, Robert.« Er sah in die Gesichter um ihn herum. »Alle haben das, und ich bin stolz auf euch! England ist stolz auf euch!«
Dacre stöhnte, als der Sanitätsmaat die Binde fester anzog. Er flüsterte: »Es gab da einen Moment…«
Adam grinste. Er spürte, wie ihn Erleichterung durchflutete. »Die gibt es immer, Robert. Eines Tages werden Sie das feststellen.«
Rum wurde an Deck gebracht. Ein Matrose zögerte, dann reichte er Richie eine volle Mugg.
Er sah zu, wie er trank, dann fragte er schlicht: »Wie hat er das geschafft?«
Richie lächelte zum ersten Mal seit langer Zeit. »Mit Vertrauen«, flüsterte er.
Es hätten auch wir sein können …
Im späten Januar 1810 war das kleine Geschwader von Vizeadmiral Sir Richard Bolitho endlich komplett, und soweit es die Admiralität anging, konnten keine weiteren Verstärkungen erwartet werden.
Bolitho war enttäuscht, aber nicht sonderlich überrascht. Erfreut war er über das Eintreffen des letzten Armeekonvois, der während des gesamten Weges von Portsmouth und den Downs von Kommodore Keens Schiffen eskortiert worden war. Es war eine Laune des Schicksals, daß die beiden Vierundsiebziger, die den hauptsächlichen Schutz des Konvois bildeten, schon unter Bolithos Flagge in der Karibik gedient und an der Eroberung Martiniques teilgenommen hatten. Die ältliche
Matchless
wurde von dem reizbaren irischen Earl Lord Rathcullen kommandiert, den man nur mit großem Wohlwollen als schwierigen Menschen umschreiben konnte. Doch war er es gewesen, der Befehle ignoriert und Bolithos kleine Streitmacht herausgehauen hatte, als sie durch ihre zahlenmäßige Unterlegenheit auf verlorenem Posten stand. Er hatte die Flagge eines Konteradmirals gehißt und den Feind so glauben lassen, daß Herrick mit seinem mächtigen Geschwader auf See war. Aber Herrick war im Hafen geblieben. Bolitho hatte oft Rathcullens Stimme im Ohr, die Herricks Worte wiederholten:
Ich will nicht ein zweites Mal die Schande tragen.
Erst beim gemeinsamen Essen in Freetown war Bolitho bewußt geworden, wie tief
Weitere Kostenlose Bücher