DAEMON
Grundmauern niedergebrannt – und dadurch Spuren zerstört worden, die dazu hätten beitragen können, Sebecks Komplizen zu fassen und zu überführen.»
Das war Merritt nur zu klar. Er dachte kaum je an etwas anderes.
Der Vorsitzende blickte über seine Brille hinweg. «Lassen Sie uns diesen Fisch ins Boot ziehen, ja?» Er blätterte in seinen Papieren, sah dann auf. «Sie sagen, Sie können sich so gut wie gar nicht erinnern, wie Sie den Brand überlebt haben. In Ihrem Bericht schreiben Sie …», er hob die Brille hoch und las ab, «… meine Schutzweste muss mich wohl über Wasser und in der Senkrechten gehalten haben.» Der Vorsitzende legte das Blatt hin. «Dennoch wurden Sie gut dreißig Meter östlich des Punkts gefunden, den Sie als Öffnung der Fallgrube angegeben haben. Es mag ja schwer sein, Mr. Merritt, aber haben Sie etwas –
irgend etwas
– von der Anlage oder dem Inhalt der Keller wahrgenommen, ehe Sie das Bewusstsein verloren?»
Merritt starrte auf den Boden. Es verging keine Nacht, ohne dass ihm verschwommene Schreckensbilder von damalsvor Augen standen. Die Falltür über ihm in Flammen. Brennendes Holz, das auf ihn herabfiel. Die Luft, die immer wärmer wurde – ihn langsam erstickte. Die jähe Explosion. Die Schlacksteinwand, die neben ihm aufbarst, Splitter, die ihm ins Bein drangen. Wasserrauschen. Ein Sturzbach, der sich in einen Raum voller Flammen ergoss. Wirbelnde Fluten um ihn herum. Siedend heißer Dampf. Die leibhaftige Hölle. Sein Kämpfen gegen den Sog. Dann die Wucht des Wassers, das sich mit einem anderen Strom vereinte und ihn mitten durch das Inferno schwemmte, während er nach Luft rang. Ein Wasserfall, der ihn die Stufen zum Weinkeller hinabspülte, dem tiefstgelegenen Raum des Hauses, der jetzt ein Wasserbassin war.
Erst vier Tage später war er in der Spezialabteilung Verbrennungen der Universitätsklinik wieder zu sich gekommen. Dann Monate furchtbarer Qualen. Der liebende Blick seiner Frau. Die Gesichter seiner Töchter. Gesichter, von denen er geglaubt hatte, er würde sie nie wiedersehen. Gesichter, die ihm den Mut gaben, sich jedem neuen, qualvollen Tag zu stellen.
An räumliche Anordnungen, Elektronik oder technische Einzelheiten erinnerte er sich nicht. Es war alles nur ein Flammenmeer.
Er schüttelte langsam den Kopf.
Die Senatoren sahen sich an. Der Vorsitzende nickte. «Tja, Agent Merritt, ich muss sagen, das fällt mir nicht leicht. Sechs Männer sind unter Ihrer Führung umgekommen, und das gesamte Anwesen ist – wie Sie selbst zugeben – durch Ihre befehlswidrigen Versuche, in den Serverraum zu gelangen, zerstört worden. Diesem Ausschuss bleibt keine andere Wahl, als Direktor Bennet zu empfehlen, Sie bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung in dieser Angelegenheit vom Dienst zu suspendieren.»
Die Worte trafen Merritt wie Felsbrocken. Ihm war, als würde das letzte bisschen Atem aus ihm herausgequetscht. Er konnte nichts sagen.
Der Ausschussvorsitzende nahm seinen Hammer und klopfte zweimal auf den Richtertisch. «Die Anhörung ist hiermit beendet.»
Merritt humpelte die Stufen des Capitols hinunter und grübelte darüber nach, wie sich sein Leben seit jener Oktobernacht verändert hatte. Heute war allerdings ein herrlicher Frühlingstag. Die Kirschbäume am Potomac blühten. Er blickte die Washington Mall entlang, auf die Monumente, die tapfere Generationen vor ihm errichtet hatten.
Er hatte doch immer nur seinem Land dienen wollen.
Aber er hatte versagt. Und alle Verschwörer außer Sebeck waren entkommen, wahrscheinlich wegen seiner Eigenmächtigkeit. Seine Karriere war beendet.
Er humpelte weiter durch die Grünanlage, unter knospenden Eichen. Männer und Frauen in Uniform oder gehobener Bürokleidung eilten zu zweit oder dritt die Wege entlang. Sie trugen Aktenköfferchen und unterhielten sich ernst. Merritt brauchte Zeit zum Denken. Zeit, sich zu überlegen, was er seiner Frau sagen würde.
Er ließ sich vorsichtig auf einer Parkbank nieder und blickte über die Mall. Das Geschäft des Regierens und alles, was dazugehörte, gingen ohne ihn weiter.
Merritt war immer noch in Gedanken versunken, als ein durchschnittlich gekleideter Typ herankam und sich aufs andere Ende der Bank setzte. Merritt ging das gegen den Strich. Er wollte allein sein.
Ohne ihn anzusehen, sagte der Mann: «In dem Haus befanden sich keine wichtigen Informationen, Agent Merritt.»
Merritt fuhr aus seinen Gedanken hoch und wandte sichirritiert
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