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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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dem Mann zu. Typ kleiner Bundesbeamter, Ende zwanzig. Die Sorte Mensch, die man schon vergaß, während man sie noch ansah. Billiger grauer Anzug, nachlässig frisiertes braunes Haar, limonengrünes Hemd mit gestreifter Krawatte, Kunstleder-Attachéköfferchen. Merritt sah einen Bundesbehördenausweis am Revers des Mannes:
    Littleton, Leonard
    Agentur zur Verwaltung der Bundesbehörden
    Schließlich sah Merritt dem Mann unwirsch ins Gesicht. «Was haben Sie gesagt?»
    «Ich sagte, Sobols Haus war eine Falle. Da war nichts Wichtiges drin.»
    «Ach ja? Was zum Teufel wissen Sie darüber?»
    Littletons Reaktion erstaunte Merritt. Er wich nicht zurück, ja, schien nicht einmal überrascht.
    «Ich weiß eine ganze Menge. Ich weiß sogar mehr als irgendjemand sonst.»
    Merritt runzelte die Stirn. Irgendwas war da an diesen Augen. Der Nase. Diesen Mann hatte er schon mal gesehen. Aber wo?
    Littleton merkte, dass Merritt ihn einzuordnen versuchte. «Nein, Sie kennen mich nicht, Agent Merritt. Aber Sie wissen von mir.»
    Merritt musterte Littletons Gesicht.
    Littleton öffnete sein billiges Köfferchen und entnahm ihm ein kleines Notebook – etwa von der Größe eines dünnen Hardcover-Buchs. Littleton beförderte das Köfferchen achtlos auf den Boden und klappte das kleine Ding auf.
    Es entpuppte sich als tragbarer DV D-Player mit Display.
    «Was sind Sie? Journalist?»
    Littleton ging nicht darauf ein, sondern drückte nur die Abspieltaste und drehte das Display zu Merritt hin.
    Im nächsten Moment fand sich Merritt in jene schrecklicheNacht zurückversetzt. Das Display zeigte ihn, wie er in Sobols Fernsehzimmer stand, mit blutroten Augen, blasenübersätem Gesicht und blutender Nase, in der Hand eine rauchende Flinte. Es war eine Perspektive von schräg oben, nahe der Decke. Das Bild war leicht körnig wie von einer Überwachungskamera.
    Auf dem Display lud Merritt jetzt nach. Er blickte hoch und brüllte: «Ich knall dich ab, Sobol!» Diese Stimme in der Luft, die mit ihm gesprochen hatte, war auf dem Video nicht zu hören. Es war, als wäre der Merritt auf dem DV D-Display ein Schizophrener, der mit sich selbst stritt. Merritt sah sein Abbild herumfahren und auf die Wand hinter ihm feuern.
    Der reale Merritt riss sich aus seiner fassungslosen Starre, sein Krückstock fiel klappernd zu Boden. Er beugte sich zu Littleton und flüsterte atemlos: «Wo haben Sie das her?»
    Littleton klappte den C D-Spieler zu. «Direkt von der Quelle.»
    «Welcher Quelle?»
    «Dem Daemon.»
    Littleton bückte sich, um den Krückstock aufzuheben, während Merritt ihn sprachlos anstarrte.
    Plötzlich dämmerte es Merritt. Er zeigte unsicher mit dem Finger auf ihn. «Sie sind Jon Ross.»
    Der Mann reichte ihm den Stock. «Der war ich mal, ja. Das scheint mir ewig her.»
    «Der Mann ganz oben auf der Fahndungsliste des FBI.»
    «Für Sie theoretisch so eine Art Gottesgeschenk. Sie könnten sich schnell rehabilitieren, wenn Sie mich festnehmen würden. Vielleicht brächte es Ihnen sogar eine Auszeichnung – die meiner persönlichen Meinung nach überfällig ist.»
    Merritt tastete automatisch nach seinem Schulterholster, bevor ihm wieder einfiel, dass er ja keine Waffe trug. Er war zu einer Anhörung vor einem Kongressausschuss hergekommen.Da hätte es nur unnötig Aufregung gestiftet, wenn er mit einer Pistole die Metalldetektoren hätte passieren wollen.
    Merritt lächelte gelassen. «Was sollte mich davon abhalten, Sie festzunehmen?»
    «Die Tatsache, dass ich unschuldig bin. Und die Tatsache, dass Sie ein Mann sind, der sein Land liebt.»
    Merritt versuchte, dem Appell an seinen verletzten Patriotismus zu widerstehen.
Patriotismus ist die letzte Zuflucht von Strauchdieben.
    Er bekam seine Emotionen in den Griff. «Was haben Sie mit Mr.   Littleton gemacht?» Er riss ihm den Ausweis vom Revers. «Wo ist er? Tot?»
    Ross lachte. «Nein, natürlich nicht.»
    Merritt inspizierte den Ausweis. Plastik. Mit Ross’ Foto darauf. Aber die Rückseite war leer, anders als bei echten Bundesbehördenausweisen.
    «Littleton kann nichts dafür. Er saß auf einer Parkbank und aß seinen Lunch. Per Digitalkamera-Zoom konnte ich eine Nahaufnahme von seinem Ausweis machen. Ich brauchte nur mit einem Graphikprogramm mein Foto einzufügen und das Ganze mit einem tragbaren Kartendrucker auszudrucken. Alles von meinem Auto aus.» Ross zog die Augenbrauen zusammen. «Einen Chip hat er allerdings nicht. Also wäre ich nicht wirklich in eine Bundesbehörde

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