DAEMON
und lahmgelegt.»
Sie wechselte zu einem Slide mit übersetzten Internet-Schlagzeilen von verschiedensten Dritte-Welt-Sites. Dort war von Dutzenden von Morden in Asien und Russland die Rede.
«Das hat offenbar einen kurzen Gang-Krieg ausgelöst, gefolgt von einer Säuberungsaktion unter den I T-Leuten der Gang. Laut Schätzungen der CIA gab es in diesem Zusammenhang tatsächlich mehrere Dutzend Morde, aber bemerkenswerterweise ließen während dieser ganzen Zeit die DDO S-Angriffe nicht nach, sondern kamen vielmehr immer wieder von anderen Orten. Die russischen Gang-Unternehmen waren praktisch kaltgestellt, bis sie Ende Januar plötzlich wieder unbehelligt funktionierten.»
Sie sah ihre Zuhörer an. «Das folgende Handy-Telefonat wurde am 29. Januar von ComSat-Einrichtungen über Georgien abgehört und ist ein Gespräch zwischen einem unbekannten Anrufer und einer bekannten russischen Mafia-Größe in St. Petersburg, im Folgenden
Vassili
genannt. Das Transskript ist über Echelon erhältlich. Die Aktennummer finden Sie in Ihrer Präsentationsmappe. Dieser Rohmitschnitt erreichte uns dank der freundlichen Unterstützung von Gruppe W.» Sie drehte sich zur Leinwand um, als jetzt über Lautsprecher blechern klingende Stimmen zu hören waren. Die Übersetzung der russischen Worte rollte über die Leinwand.
Vassili: Wir sitzen gerade im Auto. Tupo (in der Nähe befindliche Person), nein. Wo sind Sie? Wo sind Sie gerade?
Anrufer: Belize City.
Vassili: Sind die dort online?
Anrufer: Jaja. Läuft alles perfekt.
Vassili: Perfekt? Seit wann?
Anrufer: Perfekt, so wie vorher.
Vassili: Vor den Angriffen?
Anrufer: Jaja.
Vassili: Wissen Sie was über das Ausmaß?
Anrufer: Nein. Das weiß niemand.
Vassili: Die sind sauer wegen Tupolew, oder?
Anrufer: Ja. Aber jetzt haben sie ihr Geld.
Vassili: Sie haben an den toten Amerikaner gezahlt?
Anrufer: Ja.
Vassili: Und jetzt sind wir wieder online?
Anrufer: Ja.
Vassili: (unverständlich). Die sind die Nächsten, und wir müssen Marktanteile zurückgewinnen, solange sie ausgeschaltet sind. Sie wissen, was wir tun müssen?
Anrufer: Ja. Sobol hat es uns gesagt.
Dann war nichts mehr auf der Leinwand, und die Lampen gingen an, während im Raum lebhafte Diskussionen begannen. Philips musste laut reden, um sich Gehör zu verschaffen. «Es gibt weitere Mitschnitte ähnlicher Art, aber meiner Meinung nach ist das hier eine repräsentative Kostprobe. Die Angriffswellen gingen weiter, gegen alle drei Organisationen nacheinander, wobei sie immer heftiger wurden, bis sie dann vor zwei Monaten plötzlich komplett abbrachen.»
Einer der hohen Militärs vom Verteidigungsministerium fragte: «Wie interpretieren Sie das alles, Dr. Philips?»
«Meiner Meinung nach wurden die für Online-Glücksspielund Pornosites zuständigen Syndikate gezwungen, an jemanden oder etwas Schutzgeld zu zahlen.»
«Das schließen Sie aus einem abgehörten Telefonat?»
«Dies ist nur eins von Dutzenden abgehörten Gesprächen, deren Transkripte Sie in Ihren Präsentationsmappen finden.»
«Um wie viel Geld geht es da?»
Philips legte ihren Laserpointer auf das Rednerpult neben sich. «Wir haben eine E-Mail einer Thai-Gang abgefangen, in der von zehn Prozent der Bruttoeinnahmen die Rede ist.»
«Zehn Prozent vom
Brutto
?»
«Für sämtliche Online-Transaktionen. Laut Schätzungen der CIA wird mit Online-Glücksspiel und -Pornographie weltweit ein Jahresumsatz von etwa siebzehn Milliarden Dollar gemacht. Genau weiß das allerdings niemand. Aber wenn wir das als Anhaltspunkt nehmen und davon ausgehen, dass der Daemon –»
«Das wären ja fast zwei
Milliarden
Dollar im Jahr.»
«Es gibt ungesicherte Hinweise, dass diese Zahlungen ein Outsourcing der I T-Sicherheitsaufgaben innerhalb der Gangs an eine unbekannte Entität darstellen.»
Sie hielt kurz inne, ob aus Effektgründen oder um ihren Mut zusammenzunehmen, wusste sie selbst nicht. «Wir gehen davon aus, dass es sich bei dieser Entität nicht um Menschen aus Fleisch und Blut handelt, sondern um ein massiv-paralleles logisches Konstrukt. Ich glaube, dass es Sobols Daemon ist.»
Wieder wurde es laut im Raum, bis jemand ganz hinten das Stimmengewirr überschrie: «Woher wissen Sie, dass es nicht einfach eine andere Gang ist?»
Es wurde ruhig, weil alle ihre Antwort hören wollten.
Philips nickte. «Weil das auch das Erste war, was die Russen dachten. Sie haben etliche Hacker über die Klinge springen lassen, beim Versuch, die
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