DAEMON
lokalisiert, vielleicht sogar auch den in Deutschland – und ich muss wirklich los. Bitte, denken Sie dran, dass ich unschuldig bin, Natalie – wenn ich Sie Natalie nennen darf. Ich würde Ihnen wirklich gern mal die ganze Geschichte bei einem guten Essen erzählen.
Philips: Ich lasse mich nicht auf Dates mit Kriminellen ein – schon gar nicht mit kriminellen Cross-Dressern.
Ross: Bis irgendwann, Dr. Philips …
Prompt verschwand Ross’ Avatar und mit ihm sein magisches Portal, sodass sie in relativem Dunkel zurückblieb. Da war nur noch ein schwacher Lichtschimmer, der von der Tür ausging.
NS A-Informatiker : Er ist offline, Dr. Philips.
Philips: Nehmen wir noch auf?
NS A-Informatiker : Aufnahme läuft noch.
Auf der Leinwand bewegte sich Philips auf die Tür zu und aktivierte sie. Sie öffnete sich mit einem Knarren, das durch den Abwassertunnel hallte. Animierte Spinnweben dehnten sich. Eine Dialogbox erschien: «Map wird geladen …»
NS A-Informatiker : Verbindung zum CyberStorm-Server ist getrennt. Wir stellen eine Verbindung zu einer Domain in … Südkorea her.
Philips: Gehen die Datenpakete wirklich dorthin?
NS A-Informatiker : Warten Sie.
Philips: Stellen Sie es schnellstmöglich fest.
Kurz darauf war die Map geladen. Philips’ Charakter bewegte sich in eine mittelalterliche Halle mit Emporen, von denen Banner mit heraldischen Symbolen hingen. In einer Nische in der Wand geradeaus stand die Statue eines Mannes, der beunruhigende Ähnlichkeit mit Sobol hatte. Er trug wallende Gewänder und hielt die Arme ausgebreitet. Virtuelles Wasser rann glitzernd aus seinen Augen die Wangen hinab. Mineralische Ablagerungen markierten die Flussbahnen. Ein ewiger Tränenbrunnen.
Vor der Statue stand eine schwarzgewandete Gestalt wie ein Wächter, der sie abschirmte. Das Gesicht lag im Schatten.
NS A-Informatiker : Er tastet uns ab, Doktor. Ich habe unsere I P-Adresse nicht gespooft.
Philips: Schon gut, Chris, ich habe ja auch nichts davon gesagt.
Die kapuzenverhüllte Gestalt straffte sich plötzlich, hob den Arm und zeigte mit dem Finger auf Philips’ Avatar.
Wächter: Sie gehören hier nicht her!
Ein Blitzstrahl schoss aus seinem Zeigefinger auf sie zu, und der blaue Bildschirm des Todes füllte die Leinwand aus.
Dann wurde alles schwarz.
NS A-Informatiker : Wir sind gecrasht. Totalcrash!
29 Erinnerungen
Pete Sebeck starrte auf eine kleine Pockennarbe im Beton seiner Zellenwand – den einzigen Makel in dieser gnadenlosen Einförmigkeit. Das war sein Geheimnis – etwas, woran er sich festhalten konnte, während die Welt um ihn herum sich unsichtbar drehte.
Draußen war jetzt vielleicht Nacht, aber hier drinnen wurde es nie dunkel. Da war nichts, was den Ablauf der Zeit markierte, und wenn da mal etwas war, stellten sie es sofort ab. Er wurde ständig beobachtet. Eine Neonleuchte sirrte über ihm. Überwachungskameras in verspiegelten Gehäusen übertrugen von zwei oberen Ecken der Zelle aus jede seiner Bewegungen. Ein Mikrophon übermittelte jeden Laut, den er von sich gab. Er war allein und doch nie allein. Bei einem so prominenten Gefangenen hatte man keine Kosten gescheut, um eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung zu gewährleisten – damit er sich ja nichts antat, ehe der Staat Gerechtigkeit üben konnte.
Wenn Sebeck so auf seiner Pritsche lag und an die Wand starrte, waren seine Erinnerungen blankliegende Nerven. Jeder Gedanke ließ ihn zusammenzucken.
Sie ist es wert, alles für sie zu verlieren.
Das hatte er sich immer gesagt. Klar, Cheryl Lanthrop war schön gewesen, aber das war nicht alles. Es war darum gegangen, wie er sich dabei gefühlt hatte – als ein Mann, der für eine so erfolgreiche, selbstbewusste Frau attraktiv war. Wie hatte er sich einreden können, dass sie ihn wirklich wollte? Welcher Teil von ihmhegte solche Phantasien? So sah die traurige Wahrheit aus. Er hatte sich dafür angeboten, programmiert zu werden. Er war bereit gewesen, alle Skepsis beiseitezuschieben, um dieses Leben zu kosten. Er hatte die Wahrheit nicht wissen wollen – nicht über sie und schon gar nicht über sich selbst.
Es hieß, Cheryl Lanthrop sei tot. Wenn sie sich ihm doch nur anvertraut hätte. Vielleicht hätte er dann ja das Richtige getan …
Der Prozess war ein an ihm vorbeisausender Medienzirkus gewesen. Er hatte schockiert erkennen müssen, wie belastend die Beweise gegen ihn waren. Rückblickend war ihm unverständlich, warum er nicht gemerkt hatte, dass da etwas
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