DAEMON
vorgelegt werden konnten, bestand so gut wie keine Chance, dass das Urteil durch das Berufungsgericht revidiert werden würde.
Sebeck versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal wirklich glücklich gewesen war. Er musste bis in seine Highschool-Zeit zurückgehen, zu jenem Abend, als er mit seinen Kumpels auf dem Dach der Nachbargarage gesessen hatte.Das war der letzte Abend gewesen, bevor er erfahren hatte, dass Laura schwanger war. Aber stimmte das wirklich? Nach Hause zu kommen und Chris und Laura lachend am Küchentisch sitzen zu sehen war jetzt eines seiner teuersten Erinnerungsbilder. Auch wenn das Lachen verstummte, sobald er eintrat – aber dafür konnten sie nichts. Es war seine Schuld. Er hatte sich willentlich von ihnen entfernt. Hätte er ohne dieses Desaster je erkannt, was er gehabt hatte?
Sebecks Gedanken wanderten zu dem Handyanruf bei Sobols Aufbahrung. Experten hatten nachgewiesen, dass es nicht Sobols Stimme war, aber inzwischen hatte Sebeck begriffen, dass es genau darum ging. Es musste jemand sein, der
nicht
Sobol war, und zwar nachweislich. Trotzdem hatte ihn diese Stimme vor dem gewarnt, was dann gekommen war.
Ich muss Sie vernichten.
Aber die Stimme hatte noch etwas gesagt. Sebeck strengte sein Gedächtnis an. Die Erinnerung lag unter Monaten prozessvorbereitender Befragungen und Beweiskonfrontationen verschüttet. Aber dann fiel es ihm wieder ein.
Die werden ein Opfer brauchen, Sergeant.
Und so war es auch gewesen. Sebeck setzte sich auf, starrte ins Nichts und versuchte sich zu erinnern, was genau die Stimme gesagt hatte.
Bevor Sie sterben … rufen Sie den Daemon an.
Irgendwo war da ein Überwachungsmonitor, der zeigte, wie Sebeck in der Stille seiner leeren Zelle stumm vor sich hin nickte. Weil ihm jetzt klar war, was er zu tun hatte.
30 Angebot
Eine Staubwolke im Schlepptau, kroch ein weißer Van wie ein Phantom wabernd durch die Sommerhitze. Zu beiden Seiten der unbefestigten Straße erstreckte sich braunes, dürres Grasland bis zu den kahlen Hügeln am südlichen Ende des San Joaquin Valley. Jede Bodenfalte war in der Nachmittagssonne mit Schatten ausgegossen, die Landschaft wie ein zerfurchtes Gesicht. Nackt und unfassbar weit. Vierzig Meilen Nichts bis zum Horizont, auf eine karge Art wunderschön für jeden, der in einem verlässlichen Auto saß.
Der Van arbeitete sich durch diese Szenerie wie ein Spielzeugauto und näherte sich einem Asphaltring auf dem Grund eines vergessenen Canyons. Von oben sah der Rundkurs aus, als hätte Gott hier eine Wasserhahndichtung verloren. Vor der Asphaltbahn bremste der Van ab und wendete dann. An seinem Heck hing ein Autotransportanhänger. Darauf stand ein schwarzer Lincoln Town Car.
Der Van hielt und spuckte auf der Fahrerseite Kurt Voelker aus, der sich müde streckte. Tingit Khan und Rob McCruder stiegen auf der Beifahrerseite aus und streckten sich ebenfalls. Sie waren alle Anfang zwanzig, aber während Voelker gekleidet war, als wollte er zu einem Treffen der Christian Fellowship – in Khakihosen und Button-down-Hemd –, hatten Khan und McCruder die Piercings, Tattoos und Stachelfrisuren, die einst die Nullbockgeneration gekennzeichnet hatten, inzwischen aber nur noch besagten, dass sie bisher keine Vorstellungsgespräche zu absolvieren hatten.
Voelker checkte sein GP S-Gerät . Er sah seine beiden Gefährten an. «Wir sind da.»
«Ist auch verdammt nochmal Zeit.» Khan schirmte seine Augen mit der Hand gegen die Sonne ab und musterte das Terrain. «Was ist das? Eine Rennstrecke oder was?»
«Verdammt klein für eine Rennstrecke.»
Voelker rief von der anderen Seite des Vans herüber: «Eine Teststrecke, würde ich sagen.»
«Sie hat keine überhöhten Kurven und nichts.» Khan hob auch die andere Hand gegen die Sonne. «Wie heiß ist es hier? Vierzig Grad?»
McCruder sah auf seine Armbanduhr. «Einundvierzig.»
«Du hast ein
Thermometer
an deiner Uhr?»
«Yeah. Und?»
Khan blickte durch die Seitenfenster des Vans zu Voelker hinüber. «Kurt. Rob hat ein Thermometer an seiner Uhr.»
«Na und?»
«Na ja, ab einem Punkt ist das, was man noch in eine Uhr einbaut, wichtiger als die Uhr selbst. Ich würde sagen, er hat ein Thermometer mit einer Uhr dran.»
McCruder – der schon mehr als genug von Khans philosophischen Betrachtungen genossen hatte – sah ihn finster an. «Halt die Klappe.»
«Was hast du davon, die genaue Temperatur an dem Ort zu kennen, wo du
bist
? Das ist doch nicht wie bei der
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