DAEMON
nicht stimmte – wo Cheryl immer so auf Heimlichkeit bestanden hatte. Und dann waren da noch die Dinge, von denen er gar nichts gewusst hatte und die ihm jetzt den Hals brachen. Die Dateien auf seinem Computer. Listen und Geschäftsunterlagen, alles digital geschreddert – aber nur unvollständig. Ein Pass auf den fiktiven Namen Michael Corvus. Die Reisen dieses fiktiven Corvus, auf denen er Bankkonten eröffnet und Firmen gegründet hatte. Die Kreditkartenzahlungen und Firmenvollmachten. Die Offshore-Überweisungen und die Nachweise über Telefonate mit Pavlos und Singh. Die E-Mail -Konten, die so praktisch und so wunderbar medial verwertbar eine Verschwörung belegten.
Alle glaubten, dass er am Tod dieser Menschen schuld war – auch am Tod von Aaron Larson. Er erinnerte sich, wie Larson ihm immer wieder die Rolle des Mentors angetragen hatte. Sebeck hatte das verweigert. Für jemanden eine Vaterfigur zu sein war das Letzte, was er wollte.
Sebeck konnte es der Öffentlichkeit nicht verdenken, dass sie ihn hasste. Die Beweise waren erdrückend. Und der schlagendste Beweis von allen war, dass er tatsächlich eine Affäre mit Cheryl Lanthrop gehabt hatte. Was sie miteinander gemachthatten, war ihm in der Situation selbst nur verrückt und exotisch erschienen – aber in Verbindung mit allem anderen zeichnete es einen Menschen, der zur öffentlichen Persona des Detective Pete Sebeck – verdienter Polizeibeamter und treusorgender Familienvater – in krassem Gegensatz stand. So krass, dass er selbst schon an jenem Sebeck zu zweifeln begonnen hatte.
Seine Frau Laura überraschte ihn allerdings. Er hatte gedacht, sie müsste froh sein, dass sie ihn los war.
Komisch. Nach all den Jahren konnte er sich nicht mehr erinnern, ob sie ihn zu der Heirat getrieben hatte oder ob es von ihm ausgegangen war, weil er sich moralisch dazu verpflichtet gefühlt hatte. Dass sie ihn vielleicht gar nicht heiraten wollte, wäre ihm damals nie in den Sinn gekommen. Die Schwangerschaft war etwas gewesen, was ihm zugestoßen war – jedenfalls in seinem Kopf. Vielleicht hatte sie ihn ja nur geheiratet, weil sie gedacht hatte, sie müsste es tun.
Nach seiner Verhaftung, als sich alle von ihm abgewandt hatten, war sie für ihn da gewesen. Die Presse stellte sie als naives Dummchen hin, aber sie kannte ihn. Sebeck kamen die Tränen, als er daran dachte. Sie wusste, dass er diese Taten niemals begangen haben konnte, auch wenn er selbst schon daran zweifelte. Sie hatte ihn bei Verstand gehalten – oder jedenfalls einigermaßen.
Sie waren einfach nur zwei Menschen, die sich früh im Leben verirrt hatten.
Chris, ihr Sohn, war Sebeck einmal besuchen gekommen und hatte fast die ganze Zeit auf den Fußboden gestarrt. Wenn er mal aufgeblickt hatte, war da so ein feindseliges Funkeln durch die Trennscheibe gekommen, dass es Sebeck schlimmer getroffen hatte als alles, was der Staatsanwalt sagen konnte. Es schmerzte immer noch.
Sebeck rollte sich auf seiner Pritsche zusammen, von einemsolchen Schmerz übermannt, dass er sich wünschte, alles wäre endlich zu Ende. Das hier war nie wieder abzuwaschen – selbst wenn Beweise für seine Unschuld auftauchten. Sein Name war so gründlich durch den Dreck gezogen worden. Da würden immer Flecken zurückbleiben. Ein gewisser Zweifel würde in den Köpfen bleiben, auch in den Köpfen der Menschen in seiner engsten Umgebung. Der Tod wäre eine Erlösung, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass ihn fast alle, die ihm wichtig waren, für ein Monstrum hielten. Dass sein Sterben als Akt der Gerechtigkeit gelten würde. Er war froh, dass seine Eltern das nicht mehr miterlebten.
In die tiefste Verzweiflung stürzte ihn jedoch, dass niemand mehr an die Existenz des Daemon glaubte. Es war von Anfang an klar gewesen, dass sich Anklage wie Verteidigung nicht mit dem Daemon befassen würden, sondern nur mit der Frage, ob Sebeck an der Verschwörung zum Betrug an Sobol und an der Ermordung von Polizei- und FB I-Beamten beteiligt gewesen war. Der Richter hatte keine Zeugenaussagen in Sachen Daemon zugelassen – da nichts darauf hindeute, dass es einen solchen gab. Aber es
musste
ihn geben. Davon war Sebeck fest überzeugt.
Die Verteidigung hatte Berufung bei einem höheren Bundesgericht eingelegt, aber sein Anwalt machte ihm da wenig Hoffnung. Die Regierung wollte an Sebeck offensichtlich ein Exempel statuieren. Sein Prozess war angesichts der öffentlichen Empörung beschleunigt worden, und wenn keine neuen Beweise
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