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DAEMON

DAEMON

Titel: DAEMON Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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volumetrischem Rauch aus.
    Der Unterfeldwebel knallte die Hacken zusammen, ehe er Graggs Avatar mit Boerner allein ließ. Boerner sah auf und justierte das Monokel in seinem linken Auge.
    «So treffen wir uns wieder, mein Freund», sagte Boerner mit starkem deutschem Akzent und klemmte sich die Zigarettenspitze in den Mundwinkel. «Sie kennen die Konsole? Benutzen Sie sie, um meine Fragen zu beantworten.» Boerner wartete auf eine Reaktion.
    Die Konsole. Gragg benutzte sie normalerweise für Cheat-Codes. Er blickte auf die Tastatur und drückte die Tilde-Taste. Eine Art DO S-Konsole erschien im oberen Drittel des Bildschirms. Sie zeigte eine Reihe Scripting-Ereignisse an, die bereits stattgefunden hatten – etwa das Erscheinen des Boerner-Modells und die Erzeugung der Gegenstände in diesem Raum. Die Konsole diente zum einen als ausführliches Log der Programmereignisse und zum anderen als Befehlskonsole, um die Spieleinstellungen zu übergehen. Sie lieferte ihm einen blinkenden Cursor, wo er etwas eingeben konnte.
    Sobald die Konsole erschien, sagte Boerner: «Ausgezeichnet. Sie haben immerhin das Wissen, um mich wiederzufinden. Wie weit Ihr Wissen geht, werden wir sehen. Sind Sie allein hier? Ja oder nein?»
    Gragg saugte an seiner Unterlippe. Er wollte nicht zugeben, dass er allein war, aber Lügen machte ihn noch nervöser.Er tippte auf der Konsole «ja» ein und drückte die Eingabetaste.
    Boerners Avatar kniete sich hin, um Graggs Avatar um das Konsolenfenster herum «sehen» zu können. Er lächelte ihn an. «Gut. Haben Sie irgendjemandem hiervon erzählt?»
    Gragg zögerte wieder. Ein «Ja» wäre doch wohl der schnellste Weg ins Jenseits. Er erinnerte sich nur zu gut an die Videoaufnahmen von Leichensäcken auf Sobols Anwesen. Aber was würde das Sobol bringen? Warum sollte er sich die ganze Mühe machen, nur um jemanden zu töten?
    Gragg gab «nein» ein.
    Boerner betrachtete Graggs Avatar und stieß dann plötzlich das Gitter zwischen ihnen auf. Die metallene Gittertür knallte gegen die Wand, und Boerner kam heran, um Gragg direkt ins Gesicht zu sehen. «Ich kriege die Wahrheit sowieso heraus. Besser, Sie geben es jetzt zu, wenn Sie darüber geredet haben.» Boerners Blick durchbohrte Gragg durch den Laptopbildschirm. «Haben Sie es jemandem gesagt?»
    Gragg gab wieder «nein» ein.
    Boerner zeigte wieder sein boshaftes Lächeln. Er klopfte Graggs Avatar auf die Schulter. «Ausgezeichnet. Und Ihre Trickkiste haben Sie auch dabei?» Boerner wartete auf Antwort.
    Gragg gab «ja» ein.
    Boerner machte eine schwungvolle Armbewegung. «Tor öffnen!» Seine Worte hallten durch die Kellergänge.
    Hinter seinem Laptopdisplay – in der realen Welt herbstlicher Nachtkälte – hörte Gragg ein metallenes Rasseln. Er blickte über die Motorhaube seines Wagens. Die dicke Metallkette, die die Straße versperrt hatte, fiel jäh herab. Das «Betreten verboten»-Schild schepperte auf dem Schotter.
    «Ohne mich   …» Gragg schob den Laptop weg und griff an den Zündschlüssel. Er ließ den Motor an, rammte denRückwärtsgang rein und drehte den Kopf, um hinter sich zu schauen. Was er da sah, ließ ihn erstarren.
    Eine zweite Kette war kurz hinter seinem Wagen erschienen. Er sah sie im Licht seiner Rückfahrleuchten, und er sah auch die Rückseite eines Blechschilds – vermutlich ein Zwilling des ersten. Auf Schotter und ohne Anlauf konnte er die Kette unmöglich durchbrechen. Panik überkam ihn. Er guckte nach beiden Seiten. Links ließen die Birken einem Wagen keinen Ausweg. Rechts käme er nie über den Graben. Er hörte eine Stimme und blickte wieder auf den Laptop, der immer noch mit dem Display zu ihm auf dem Vordersitz stand.
    Boerner paffte an seiner Zigarette. «Immer mit der Ruhe, mein Freund. Wenn ich Sie töten wollte, hätte ich es bereits getan. Und jetzt fahren Sie bitte vorwärts.»
    Graggs Gehirn arbeitete fieberhaft, schätzte die Chance ab, zu Fuß zu entkommen – durch die Birken und über die Wiesen dahinter. Das war Wahnsinn, oder? Er war hier mitten im gottverdammten Nichts. Die ganze Umgebung konnte mit Fallen bestückt sein. Hatte Sobol nicht schon gezeigt, wie viel Planung er investiert hatte? Es musste doch Sobol sein. Bei der Vorstellung, einem realen Boerner gegenüberzustehen, hatte Gragg erst recht keinen Zweifel daran, dass ein Fluchtversuch zu Fuß der direkte Weg zu null Lebenspunkten wäre – ohne Respawnen.
    Boerner starrte ihn vom Laptop an. Gragg schüttelte den Gedanken ab.

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