DAEMON
weil es
nötig
ist. Haben Sie mich verstanden?»
«Ich habe meine Anweisungen, Dr. Philips.»
«Tja, dann haben wir ein Problem – denn meine Anweisung lautet, den Daemon aufzuhalten, und Ihre lautet offenbar,
mich
aufzuhalten.»
Der Major stand ungerührt da. Sie funkelte ihn noch einenMoment wütend an und wandte sich dann wieder Ross zu. «Ich muss die Topologie des Daemon erschließen, um das Ausmaß der Bedrohung abschätzen zu können.»
Ross war in Gedanken noch bei ihrem Ausbruch dem Major gegenüber und musste erst mal umschalten. «Sie brauchen seinen Masterplan.»
«Ja. Ich bin gerade dabei, einen Zeitstrahl seiner Entwicklung zu erstellen, damit wir diese dann mit Sobols finanziellen Transaktionen und Reiseaktivitäten in der realen Welt korrelieren können. Wenn ich diesen Zeitstrahl habe, kann ich daraus vielleicht Rückschlüsse auf die Topologie ziehen.»
Sebeck fragte dazwischen: «Topologie?»
Beide sahen ihn an.
Philips seufzte. «Die materielle oder logische Anordnung eines Netzwerks.»
Dann richtete sie sich wieder an Ross: «Aber im Moment gibt es dringendere Sorgen.» Sie warf einen Seitenblick auf den Major und zog Ross ein Stück weg, um unbelauscht mit ihm sprechen zu können. Jetzt, wo sie so nah bei ihm stand, verströmte Agent Philips einen leichten, blumigen, verblüffend femininen Duft. Ross sah die messerscharfe Intelligenz in ihren Augen, die Intensität. Hitze stieg ihm ins Gesicht, während er diese vertrauliche Nähe genoss.
Philips schien nichts zu bemerken. «Unmittelbar nach Sobols Tod sind riesige Geldsummen von seinen Bankkonten abgeflossen. Direkte Banktransfers über einige Millionen Dollar auf Offshore-Konten. Außerdem hat er in den letzten Monaten seines Lebens enorme Kredite aufgenommen. Auch dieses Geld ging am Tag seines Todes außer Landes. Die Feds verfolgen es noch. Mr. Ross, denken Sie sich eine weitverteilte, kompartmentalisierte Anwendung mit hoher Ausfallstoleranz – vielleicht Tausende von Kopien jeder einzelnenKomponente –, fähig, sich zu rekonstituieren, auch wenn ein beträchtlicher Prozentsatz der Komponenten vernichtet wurde.»
Ross nickte, während sie sprach. Gott, diese Frau war blitzgescheit. Er fühlte seinen üblichen Widerstand gegen jeden Gedanken, der nicht sein eigener war, in sich zusammenbrechen.
Sie fuhr fort: «Und jetzt denken Sie sich eine solche Anwendung – eine weitverteilte, unsterbliche Entität – kombiniert mit zig Millionen Dollar und der Möglichkeit, Waren und Dienstleistungen nahezu unbegrenzten Umfangs zu kaufen. Eine Entität, die niemandem rechenschaftspflichtig ist und keine Angst vor Bestrafung hat.»
«Es ist ein Unternehmen.»
«Bingo.»
Sebecks Handy klingelte. Die Störung war ihm willkommen. Er spielte bei dieser Unterhaltung sowieso nur den stummen Diener. «Entschuldigen Sie mich.» Sebeck drehte sich um und ging ein paar Schritte weg, während er sein Handy hervorzog. Er sah auf das Display. Unbekannter Anrufer. Er nahm ab. «Sebeck.»
Eine bekannte, heisere Stimme sagte in sein Ohr:
«Verzeihen Sie mein Äußeres, Sergeant.»
Sebeck atmete scharf ein und sah auf Sobols zwei Meter weiter aufgebahrten Leichnam. Er blickte auf die FBI- und NS A-Agenten im Andachtsraum. Ross und Agent Philips waren immer noch in ihre angeregte Fachsimpelei versunken.
Sebeck trat an den Sarg und starrte auf Sobols Leichnam. «Ist Telefonieren aus der Hölle ein Ferngespräch, Sobol?»
Sebeck wartete. Offenbar war da in der Verbindung irgendeine leichte Verzögerung.
Dann war die Stimme wieder da, schwach und zittrig.
«Detective Sebeck. Es ist zu spät.»
Mühsames, pfeifendes Atmen drang an sein Ohr.
«Mein Daemon ist nicht mehr zu stoppen.»
Sebeck sah wieder zu Philips und Ross hinüber, aber Sobol sprach bereits weiter.
«Tut mir leid, aber ich muss Sie vernichten. Die werden ein Opfer brauchen, Sergeant.»
Sobol keuchte.
«Es ist unumgänglich. Vielleicht werden Sie’s ja verstehen, bevor es vorbei ist. Ich weiß nicht, ob ich recht habe. Ich weiß es nicht mehr.»
Sebeck blickte auf Sobols gefolterten Leichnam. Das irre Auge passte zu der wahnsinnigen Stimme.
Sobols Stimme krächzte eindringlich:
«Bevor Sie sterben … rufen Sie den Daemon an. Tun Sie es in den letzten Monaten vor Ihrem Tod. Sagen Sie … genau diese Worte: ‹Ich, Pete Sebeck, nehme den Daemon an.›»
Sobol rang nach Luft.
«Aber … sterben müssen Sie auf jeden Fall.»
Die Verbindung war weg.
Sebeck
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