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Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)

Titel: Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jim C. Hines
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Teil der Kapelle ruhte Königin Beatrices Leichnam auf einer hüfthohen Plattform rechts vom Altar. Man hatte ihre Haare lose gelassen, sodass sie ihr Gesicht grau umrahmten. Sie trug ein formelles blaues Kleid; auf ihrer Brust lag ihre goldene Krone.
    Danielle fuhr sich übers Gesicht. Wenn sie es vermeiden konnte, hatte Beatrice ihre Krone nicht getragen; sie war immer glücklicher in ihrer Matrosenjacke gewesen, wenn der Meereswind mit ihren Haaren gespielt hatte. Es war, als läge eine Hochstaplerin an Beatrices Stelle, als wäre dies alles nur ein grausamer Scherz.
    Armand und Jakob standen neben der Leiche und sprachen mit Vater Isaac. Jakob sah wie eine Miniaturausgabe seines Vaters aus: Beide trugen maßgeschneiderte schwarze Jacken, dunkle Hosen und glänzende Stiefel. Aber während Jakob schniefte und sich die Nase am Ärmel abputzte, war Armands Miene wie versteinert.
    »Sie sieht so zerbrechlich aus.« Danielle nahm Jakob hoch. Lose Fäden hingen wie die Beine eines Insekts herab, wo es ihm gelungen war, den obersten Knopf seiner Jacke zu öffnen. Seine kleinen Finger packten Danielles Umhang.
    »Warum will Oma nicht aufwachen?«
    Danielle küsste ihn; antworten konnte sie nicht.
    »Weil deine Großmutter tot ist«, sagte Armand.
    »Warum?« Jakob vergrub den Kopf in Danielles Schulter. »Warum ist sie tot?«
    »Deine Großmutter war sehr lange krank«, erklärte Danielle ihm. »Sie hatte Schmerzen, und sie war sehr müde. Jetzt hat sie keine Schmerzen mehr. Sie hat ihren Frieden.«
    Jakob drehte den Kopf herum und linste Beatrice aus dem Augenwinkel heraus an. »Werdet ihr sterben?«
    »Ja«, sagte Armand. »Jeder stirbt.«
    »Aber noch lange nicht!«, sagte Danielle scharf. »Armand, was ist los?«
    »Wäre es dir lieber, wenn ich meinen Sohn anlüge?«
    »Es wäre mir lieber, wenn du dich daran erinnerst, dass er noch keine drei Jahre alt ist. Er versteht nicht …«
    »Was gibt es da zu verstehen?« Armand machte einen Schritt von ihr weg und drehte der Leiche der Königin den Rücken zu. »Diese hohlen Rituale, die wir durchführen, um uns zu trösten? Wir werden diese Tage damit verbringen, einer leeren Hülle Respekt zu erweisen. Wir werden angenehme Erinnerungen teilen, ihre Fehler ignorieren und in ihr eine Heilige erkennen, die in den Himmel zurückgerufen wurde. Wir werden falsche Tränen weinen, obwohl wir alle wussten, dass sie im Sterben lag. Wir werden ›ihr Leben feiern‹ und so tun, als wartete der Tod nicht darauf, uns alle jeden Moment zu holen.«
    In seiner Stimme lag kein Mitgefühl; er sprach wie zu einem Fremden. Danielle, die vorübergehend sprachlos war, drehte sich zu Vater Isaac um. Isaac hatte Armand schon viele Jahre gekannt, bevor Danielle in den Palast gekommen war.
    »Mein Prinz, dein Sohn blickt zu dir auf und sucht nach Stärke«, sagte Isaac mit leisem Tadel.
    »Er sucht nach Lügen.« Armand bedachte Jakob kaum mit einem Blick. »Wir kleiden den Tod in sein feinstes Gewand und lassen ihn friedlich und ruhig aussehen. Der Junge soll die Welt sehen, wie sie wirklich ist.«
    »Wie sie wirklich ist?« Isaacs buschige Brauen senkten sich ein wenig.
    Danielle griff nach Armands Schulter. »Armand, das reicht. Was ist los mit dir?«
    Armand entzog sich ihr. »Meine Mutter ist tot. Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht mit albernen Fragen langweiltest.« Mit diesen Worten ließ er Danielle, die ihn stumm anstarrte, stehen und ging aus der Kapelle.
    »Was ist los mit Papa?«, fragte Jakob.
    »Er ist durcheinander.« Danielle drückte ihn fest an sich und gab ihm noch einen Kuss auf die verschwitzte Stirn. Wäre Armand jemand anderes gewesen, hätte sie ihn vielleicht in Verdacht gehabt zu trinken, aber dieser Tage gönnte sich ihr Mann nur selten ein Glas Wein. »Manchmal ist es leichter, zornig zu sein als traurig.«
    Isaac legte Jakob eine Hand auf den Rücken. »Dein Vater liebt dich. Sein Zorn richtet sich nicht gegen dich.«
    »Wütend auf Oma?«, fragte Jakob.
    »Er ist auf niemanden Spezielles wütend«, sagte Danielle. »Er ist einfach nur wütend.«
    »Ich mag diesen Papa nicht.«
    »Dein Vater liebt dich, Jakob.« Danielle knuddelte ihn. »Und er wollte dich nicht erschrecken.«
    Isaac ging ein paar Schritte von ihnen fort und drehte mit steifen Fingern sein Kruzifix, während er zu den Farbglasfenstern aufblickte.
    »Was ist?«, fragte Danielle, die ihn genau beobachtete.
    »Ich bin mir nicht sicher. Einen Moment lang, als Armand ging … Die Fenster haben mir

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