Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
anders in die Hand.
»Kannst du es?«, fragte Schnee. »Kannst du die Frau töten, die du liebst?«
Ihre Worten troffen vor Sarkasmus und bohrten sich in Talias Brust. »Diese Frau würde nie ein Kind quälen!«
»Wenn ich nicht Schneewittchen bin, wer bin ich dann? Ein Elfenwechselbalg vielleicht? Oder eine Hexe, die das Gesicht deiner Freundin trägt?« Schnee lächelte. »Ich war diejenige, die Königin Bea half, dich in dem ekligen Frachtschiff zu finden, wo du dich versteckt hattest. Ich habe mich mit dir betrunken in jener Nacht, als dir zum ersten Mal klar wurde, dass Bea im Sterben lag. Du hast dieses lächerliche aratheanische Lied über euren alten Gott gesungen, den mit den drei Extraköpfen.«
Talia machte einen weiteren Schritt und versuchte, nahe genug heranzukommen, um sich zwischen Schnee und den Prinzen zu stellen. »Keine Angst, Jakob! Du wirst bald wieder bei deiner Mutter sein!«
Jakob schüttelte den Kopf.
Schnees Lächeln wurde breiter. »Er weiß es besser, Talia.« Sie neigte die Hand, sodass die Spitze der Glasscherbe sich in Jakobs Haut grub. »Wenn du deine Elfenreflexe gegen mich testen möchtest, dann beweg dich nur weiter!« Mondlicht wurde von ihrer Klinge zurückgeworfen und zitterte an der Decke.
Talia hob die Hände. Was immer Schnee beeinflusste, sie war nicht so selbstsicher, wie sie sich anhörte. Andernfalls hätte sie schon zugestoßen. »Du kannst dich nicht ewig hier verstecken.«
»Das habe ich auch nicht vor. Aber ich hatte gehofft, bevor ich fortgehe, ein Geschenk für König Theodore hierlassen zu können, um ihm für seine Gastfreundschaft in diesen vergangenen sieben Jahren zu danken. Ein einziger Kratzer, und sein Kummer ist vorbei.«
»Du gehst fort?« Die Frage entschlüpfte Talia, ehe sie sie aufhalten konnte.
Schnee beugte sich vor. »Ich könnte dasselbe für dich tun, Talia. Ich kenne den Schmerz, wenn man seine Heimat verlässt, seinen Geliebten, alles, was man je gekannt hat. Sag mir, sehnt dein Herz sich immer noch nach den Zwillingen, die du im Stich gelassen hast?«
Was sie auch manipulieren oder kontrollieren mochte: Dies war immer noch Schnee. Nur Schnee kannte Talia gut genug, um ihr so tief ins Herz zu schneiden. »Ich hatte keine Wahl.«
»Noch eine Lüge!« Schnee seufzte und schüttelte den Kopf. Ihre Waffe bewegte sich keinen Zentimeter von der Kehle des Prinzen weg. »Man hat immer eine Wahl, meine liebe Talia. Niemand hat dich gezwungen zu fliehen, deinem Thron den Rücken zu kehren. Du hast deinem Geburtsrecht entsagt. Wie viele Generationen lang hat deine Familie Arathea regiert?«
»Hör auf damit!«, flüsterte Talia.
»Sie haben deine Familie ermordet und deinen Thron gestohlen. Aber wenn man die Geschichten von Dornröschen hört, war der Mann, der dich vergewaltigt hat, ein Prinz und Held. Auf der Grundlage derselben Lügen ziehen sie deine Kinder groß. Und du? Welche Lügen helfen dir, mit deiner Wahl zu leben, Talia? Dass deine Söhne ohne dich besser dran sind? Dass deine Anwesenheit Arathea nur Schmerz und Chaos bringen würde? Ich könnte dir helfen, Talia.«
Talia senkte das Messer. »Na los, versuch’s doch!«
»Ach, hör doch auf! Wir wissen doch beide, dass du mich zu sehr liebst, um mich zu töten.«
»Ich liebe sie«, gab Talia zu. Sie schluckte und versuchte den Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken. »Und ich kenne sie gut genug, um zu wissen, was sie wollen würde.«
Völlig unvermittelt schnellte Talias Fuß hoch und traf Schnee am Handgelenk; die verspiegelte Klinge flog gegen die Wand und zersplitterte. »Jakob, lauf!«
Schnee gestikulierte, und die Bruchstücke der Klinge schwebten vom Boden hoch. Talia ließ sich flach hinfallen, und die Glassplitter schossen über ihren Kopf hinweg. Sie rollte sich herum und trat die Bank unter Schnee weg, die aufschrie, als sie hinfiel.
Jakob war jung und wacklig auf den Beinen, aber er rannte zur Tür und streckte sich nach dem Griff. Die Tür rührte sich nicht: Schnees Magie hatte sie festgeklemmt.
Talia sprang auf. Sie holte mit dem Messer zum Wurf aus, doch in dem Moment krachte Frederic von der Seite in sie. Der Kerzenmacher war mittleren Alters und übergewichtig, aber er kämpfte wie eine Greifenmutter, die ihr Nest beschützte. Er schlang die Arme um Talia und knallte sie gegen die Wand. Kerzen fielen von den Regalen.
Talia stampfte mit dem Absatz auf seinen Fußrücken auf, dann riss sie beide Beine hoch und stieß sich von der Wand ab.
»Tante
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