Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
ein bisschen nach innen; sie schien nicht blockiert zu sein. Es fühlte sich eher an, als wäre das Holz im Rahmen gequollen.
Beim vierten Versuch flog die Tür auf und knallte an die Wand.
»Ich habe mich schon gefragt, wie lange es wohl dauern würde, bis du hier auftauchst«, sagte Schnee. Sie saß auf einer Holzbank vor einer kleinen Feuergrube in der Mitte des Raums. Ein Metallgitter bedeckte die Grube. Die Luft roch nach Bienenwachs und Farbstoffen. Getauchte Kerzen hingen an Wandhaken und Querbalken an der Decke, wodurch der Raum beengt wirkte. Dickere, gerollte Kerzen stapelten sich in Regalen hinter Schnee.
Frederic, der Kerzenmacher, stand am Fenster wie eine Statue. Nur das flache Heben und Senken seines Brustkorbs und ein gelegentliches Blinzeln verrieten Talia, dass er noch lebte. Er hatte eine Schnittwunde an der Seite des Halses.
Prinz Jakob saß mit dem Rücken zu einem kleinen Wasserfass auf dem Boden und hatte die Knie an die Brust gepresst. Aus einem Schnitt in der Wange sickerte Blut.
Schnee gestikulierte. Talia sprang zur Seite, wodurch sie gerade noch der Tür entging, die hinter ihr zuschlug.
»Was hast du dem Prinzen angetan?«, fragte Talia. Das einzige Licht kam vom Mond vor dem Fenster und den Kohlen, die schwach orange in der Feuergrube glühten.
»Nichts.« Schnee klang ehrlich verwundert. Sie drehte sich um, um Jakob zu mustern, und runzelte die Stirn. »Gar nichts.«
Talia machte einen Schritt nach vorn.
»Tu das nicht!« Schnee hielt eine Spiegelscherbe hoch, die so lang wie ihr Unterarm war, und richtete sie auf den Prinzen. Um das untere Ende des Glases war rotes Tuch gewickelt und bildete einen provisorischen Griff.
Talia erstarrte. »Jakob, geht es dir gut?«
Ohne aufzusehen schüttelte Jakob den Kopf. »Tante Schnee hat mir wehgetan. Sie hat Tanslav und Papa wehgetan.«
»Das ist nicht Schnee. Als der Spiegel zerbrach, hat er etwas mit ihr angestellt.«
»Ach Talia!« Einen Augenblick lang klang Schnee wie sie selbst, sowohl amüsiert als auch aufgebracht. »Meine Mutter erschuf diesen Spiegel, weil sie nicht stark genug war, um seine Macht selbst aufzunehmen. Ich bin es. Ich brauche ihn nicht mehr. Sieh mich an: Zum ersten Mal, seit diese Meerjungfrau mich gegen die Wand geworfen hat, kann ich wieder Zauber wirken, ohne Schmerzen zu haben! Du solltest dich für mich freuen!«
»Du wirkst sie gegen deine Freunde«, erwiderte Talia. »Gegen die Menschen, die dich lieben.«
Schnee fuhr Jakob mit den Fingernägeln durchs Haar. Jakob versteifte sich und hielt die Luft an, bis Schnee die Hand wieder fortzog. In dem Moment, als er sich entspannte, schnellte Schnees Hand vor, und ein zweiter Schnitt erschien auf der Wange des Prinzen.
Talia stürzte auf sie zu, aber Schnee legte Jakob die gläserne Klinge unters Kinn und brachte sie mitten im Schritt zum Stehen. »So ein eigenartiges Kind«, flüsterte Schnee. »Armand gehörte mir mit einem einzigen Schnitt, aber Jakob sitzt hier unberührt von meiner Magie. Willst du denn nicht wissen, warum?«
»Nicht unbedingt.« Talia verschränkte die Arme und ließ zwei Finger unter einen Ärmel wandern, wo sie nach dem flachen Wurfmesser griffen, das in einer Scheide an ihrem Arm steckte.
»Das ist schon immer dein Problem gewesen. Du hast keine Wissbegierde, keinen Sinn für Erstaunliches.« Die Hand, die den Glasdolch hielt, rührte sich nicht von der Stelle. »Er wirkt keine Zauber, noch ist er beschützt. Es ist keine Menschenmagie, jedenfalls keine, die ich je erlebt habe. Ich würde ihn zu gern aufschneiden und sehen, wie er es macht.«
Es war Schnees Körper. Schnees Stimme. Sogar die Melodie in den Worten war die Schnees, neckend und spottend, indes das Messer an der Kehle des Prinzen lag.
Talia machte einen Schritt zur Seite. »Was hast du mit Armand und den anderen gemacht?«
»Ich habe ihnen geholfen zu sehen.«
» Was zu sehen?«
Bei Schnees Lächeln stellten sich Talia die Nackenhaare auf. »Die Welt, wie sie wirklich ist.«
»Du klingst wie deine Mutter.«
Schnee runzelte die Stirn, und ganz kurz geriet ihr Selbstvertrauen ins Wanken. Talia hätte es fast nicht bemerkt.
»Ist es das?«, setzte Talia nach. »Der Geist deiner Mutter …«
»Ist lange tot.« Schnee tat den Gedanken mit einem Wink ihrer freien Hand ab. »Was wirst du jetzt tun, Talia? Wenn ich jemand anderes wäre, dann hättest du das Messer schon geworfen, das du da in der hohlen Hand hältst.«
Talia verzog das Gesicht und nahm das Messer
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