Dämon, Dämon an der Wand: Roman (German Edition)
vermocht, Armands Verhalten zu erklären, geschweige denn einen Weg zu finden, ihm entgegenzuwirken. Alle anderen, die von Schnees Spiegeln geschnitten worden waren, waren auf Befehl Danielles ins Verlies geschafft worden. Zweiundzwanzig Personen waren jetzt in den dunklen, feuchten Zellen an den Klippenhängen eingesperrt, viele davon ihre Freunde. Aber es war die einzige Möglichkeit, zu verhindern, dass sie jemand anderem Schaden zufügten.
Auf ihre Anweisung hin war Armand hierher in die Kapelle gebracht worden. Der Geruch nach Räucherwerk war erstickend. Der grasartige Rauch war so verzaubert, dass er Gewalttätigkeiten im Innern des Gotteshauses unterdrückte. Die Luft war warm hier, als würde jede der Kerzen, die an den Wänden angebracht waren, die Wärme einer viel größeren Flamme abgeben. Aber bisher war die Magie der Kapelle nicht stark genug gewesen, ihren Ehemann zu befreien.
Niemand hatte Schnee und Jakob gesehen, seit sie die Werkstatt des Kerzenmachers verlassen hatten, und bis jetzt waren sie auch mit keinem Zauber zu lokalisieren gewesen. Die Tore waren verschlossen und wurden bewacht. Danielle hatte befohlen, dass sämtliche verfügbaren Männer und Frauen den Palast durchsuchten, doch in Anbetracht von Schnees Macht machte sie sich wenig Hoffnung.
»Besessen ist er nicht«, sagte Trittibar.
»Oder wenn doch, so handelt es sich um keine Form des Besessenseins, von der wir je gehört hätten.« Vater Isaac tippte sich mit seinem Kruzifix ans Kinn.
»Es ist der Spiegel.« Talia kam mit großen Schritten in die Kapelle, Seite an Seite mit einem barfüßigen Mädchen in einem Wollumhang. Danielle hatte das Mädchen vorher noch nie gesehen, aber etwas an ihrem Gang war vertraut. »Mit jedem Schnitt bricht ein winziger Splitter ab und tritt ins Blut ein. Schnee hat es am schlimmsten erwischt, als der Spiegel zerstört wurde, aber Armand und die Übrigen leiden an einem kleineren Quantum derselben Macht.«
»Das ist die Art, wie Spiegelmagie funktioniert«, sagte Talias Begleiterin. »Schon das kleinste Stück kann die Macht des Rests lenken.«
»Wer ist das?«, wollte Danielle wissen.
»Ich hatte gehofft, Vater Isaac könnte uns diese Frage beantworten.« Talia winkte Danielle näher, weg von Armand. Mit gesenkter Stimme erklärte sie ihr, wie sie Gerta unten gefunden hatte, und erzählte ihr auch von der Behauptung das Mädchens, Schneewittchens Schwester zu sein. Was Gerta betraf, so schien diese sich mehr für Armand als für alles andere zu interessieren.
Danielle unterbrach Talia. »Gerta, wenn du weißt, was meinem Ehemann zugestoßen ist, kannst du es rückgängig machen?«
Gerta näherte sich dem Prinzen. Danielle bedeutete Talia mit einer Handbewegung, dicht bei ihr zu bleiben, aber Gerta musterte Armand bloß forschend.
»Bleib weg von mir, du dreckige Hexe!«, fuhr Armand sie an.
Danielle versteifte sich: Das war nicht ihr Mann. So hätte er nie mit jemandem gesprochen.
Doch noch während sie ihn vor sich selbst verteidigte, kamen ihr Zweifel. Glaubte ein Teil Armands diese Worte? War diese Grausamkeit bloß ein Aspekt seines Selbst, den er vor der Welt geheim hielt … ein Aspekt, der sie so sehr an ihre eigene Stiefmutter erinnerte?
»Schaut euch seine Hände an!« Gerta zeigte auf ein paar dunkler Quetschungen auf Armands Handrücken. »Ihr werdet noch andere finden, wo der Splitter ihn von innen geschnitten hat, als er durch seinen Körper gewandert ist.«
»Kann man ihn entfernen?«, fragte Danielle.
Gerta kaute auf der Unterlippe herum, während sie Armand betrachtete. Sie trat von ihm fort, außer Hörweite, und gab den anderen zu verstehen, ihr zu folgen. »Das wäre gefährlich. Der Splitter ist nicht das Problem – das Problem ist das, was dieser Splitter mit sich führt.«
»Erklär mir das!«
»Habt ihr euch nie gefragt, woher die Macht des Spiegels eigentlich kommt?« Gerta blickte von einem Gesicht zum nächsten. »Jede Magie hat ihren Preis. Kleinere Zauber wie das Räucherwerk eures Priesters beziehen den Großteil ihrer Stärke aus den Zutaten des betreffenden Tranks; er kann einen neuen Schwung zubereiten und sich danach nicht müder fühlen als ein Mann, der einen Nachmittag lang Feuerholz gehackt hat. Aber ein Artefakt wie der Spiegel unserer Mutter, eins mit der Fähigkeit, alles zu zeigen, was seine Gebieterin von ihm verlangt? Nicht einmal Rose Curtana war mächtig genug, um einen solchen Gegenstand ohne fremde Hilfe zu erschaffen!«
»Wo ist er
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