Daemon von Karanda
Gewässer, das in der Sonne blau blitzte. Es sah aus wie ein Binnenmeer, ohne ein sichtbares gegenüberliegendes Ufer, doch es fehlte der Salzgeruch in der Luft.
»Groß, nicht wahr?« Silk zügelte sein Pferd neben Chretienne. Er deutete auf ein Dorf mit strohgedeckten Blockhütten, etwa eine Meile entfernt am Ufer. Mehrere ziemlich große Boote waren an einem Pier vertäut.
»Dort mietete ich gewöhnlich ein Boot, wenn ich den See überqueren wollte.«
»Du hast hier Geschäfte gemacht?«
»O ja. In den Bergen von Zamad gibt es Goldminen, und in den höher gelegenen Wäldern Fundstätten verschiedener Edelsteine.«
»Wie groß sind diese Boote?«
»Groß genug für uns. Es dürfte zwar etwas eng werden, aber das Wetter verspricht eine gute Überfahrt, selbst wenn das Boot ein wenig überladen ist.« Plötzlich zog er die Brauen zusammen. »Was machen die denn?«
Garion blickte auf den Hang, der zum Dorf hinunterführte, und sah eine große Schar Leute, die sich langsam auf das Ufer zubewegte. Viel Pelzbe-kleidung in allen Rot- und Braunschattierungen war zu erkennen, aber viele trugen auch rostfarbene und verwaschen blaue Umhänge. Immer mehr kamen über den Hügel, und andere aus dem Dorf gingen ihnen entgegen.
»Belgarath!« rief der kleine Drasnier. »Ich glaube, es gibt ein Problem.«
Belgarath ritt im Trott zu der Kuppe. Er blickte hinunter auf die Menschenmenge vor dem Dorf.
»Wir müssen in dieses Dorf, wenn wir ein Boot mieten wollen«, erklärte ihm Silk. »Wir sind zwar gut genug bewaffnet, um ein paar Dutzend Dorfbewohner einzuschüchtern. Doch dort sind zwischen zwei- und dreihundert Leute. Für so viele bedürfte es schon einer beachtlichen Einschüchterung.«
»Vielleicht ist Jahrmarkt?« meinte der alte Mann.
Silk schüttelte den Kopf. »Glaube ich nicht. Es ist die falsche Jahreszeit dafür, außerdem haben diese Leute keine Karren bei sich.« Er schwang sich aus dem Sattel und ging zu den Packpferden. Einen Augenblick spä-
ter kehrte er mit einer schlecht gegerbten roten Pelzweste und einer weiten Pelzmütze zurück. Er zog beides an, dann bückte er sich, wickelte Gamaschen aus Sackrupfen um die Waden und band sie mit Schnur fest.
»Wie sehe ich aus?« fragte er.
»Schäbig«, antwortete Garion.
»Dann ist es ja gut. Schäbig ist in Karanda in Mode.« Er saß wieder auf.
»Wo hast du das Zeug her?« fragte Belgarath.
»Ich besorgte es mir von einem der Toten am Tempel.« Der kleine Mann zuckte die Schultern. »Ich habe gern Verkleidung zur Hand. Und jetzt werde ich mich mal da unten umsehen.« Er drückte seinem Pferd die Fersen in die Seiten und galoppierte hinunter zu der Menge vor dem Dorf.
»Ziehen wir uns ein Stück zurück«, schlug Belgarath vor. »Es ist besser, wenn man nicht auf uns aufmerksam wird.«
Sie trotteten ihre Pferde die Anhöhe wieder hinunter, dann noch ein Stück von der Straße weg zu einem schattigen Graben, der ihnen Schutz bot. Dort saßen sie ab. Garion kletterte ohne Chretienne aus dem Graben heraus und legte sich zum Beobachten ins hohe Gras.
Etwa eine halbe Stunde später kehrte Silk über die Kuppe zurück. Garion erhob sich aus dem Gras und winkte ihm zu.
Als der kleine Mann den Graben erreichte, saß er mit angewiderter Miene ab. »Religion!« schnaubte er. »Ich frage mich, was die Welt ohne sie wäre. Die Menge da unten hat sich versammelt, um einem mächtigen Magier zuzusehen, der garantiert hat, daß er einen Dämon beschwören wird
– obwohl es anderen in letzter Zeit nicht geglückt ist. Er ließ sogar durchblicken, daß es gelingen könnte, den Dämonenherrscher Nahaz höchstpersönlich herbeizurufen. Die Menge wird wahrscheinlich den ganzen Tag dort herumstehen.«
»Was nun?« fragte Sadi.
Belgarath folgte dem Graben ein Stück und blickte dabei nachdenklich zum Himmel. Mit entschlossener Miene kehrte er zurück. »Wir brauchen so etwas für noch zwei Personen.« Er deutete auf Silks Verkleidung.
»Nichts einfacher als das«, versicherte ihm Silk. »Es kommen noch ge-nügend Nachzügler den Hügel herunter, daß ich ohne weiteres einigen auflauern kann. Was habt Ihr für einen Plan?«
»Du, Garion und ich reiten hinunter.«
»Interessant, aber was wollen wir damit erreichen?«
»Der Magier, wer immer er ist, verspricht, Nahaz zu rufen, doch Nahaz ist bei Urvon und wird sich bestimmt nicht blicken lassen. Nach dem, was wir gestern vor dem Dorf gesehen haben, ist es für einen Magier äußerst gefährlich, wenn er nach einer
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