Dämon
großartig.
Wu griff in eine seiner Schreibtischschubladen und zog eine kleine Visitenkarte hervor. Er reichte sie Jefferson. »Meine private Telefonnummer und Adresse. Die maßgeblichen Stellen sind der Auffassung, dass Sie und Lieutenant Brogan mich jederzeit zu Hause erreichen sollten.«
Jefferson bedankte sich und steckte die Karte ein. Dann atmete er langsam aus. »Was immer es ist, es ist nicht menschlich, nicht wahr?«
Wu zuckte die Schultern. »Nicht im direkten Sinne, nein. Es ist folgendermaßen: Jede Spezies auf diesem Planeten besitzt eine bestimmte Anzahl von Chromosomen. Hunde haben beispielsweise zweiundsiebzig. Diese Kreatur besitzt sechsundvierzig, genau wie Menschen. Also ist dieses Ding vielleicht nicht wirklich menschlich, doch was immer es ist, es wurde erschaffen, um uns exakt duplizieren zu können. Es wurde nach unserem Bild erschaffen.«
»Oder vielleicht wurden wir Menschen nach seinem Bild erschaffen …«, sagte McKenna leise.
Jefferson und McKenna verließen das City Hospital durch den Haupteingang und traten hinaus in die warme Nachmittagssonne. Das Krankenhaus lag ein paar Blocks vom South End entfernt. Enge Straßen, weit ausladende Bäume und alte Ziegelsteingebäude waren charakteristisch für diese Gegend Bostons. Die Blumen begannen allmählich zu welken und kündeten vom bevorstehenden Herbst. Weiße Blütenblätter säumten die Bürgersteige.
»Ich war heute Morgen im Meeresmuseum«, sagte Jefferson.
»Was hast du herausgefunden?«
»Unser Mann war dort. Irgendwie war er dort. Die Schrift war genau die gleiche. Ich glaube, sie hätten die Galla dort lassen sollen, wo sie war, unten am Grund des Südpazifiks. Jetzt hat sie sich in eine Art Büchse der Pandora verwandelt. Wir haben den Deckel geöffnet und können ihn nicht wieder schließen.«
»Was hast du jetzt vor?«
»Brogan und ich fahren heute Nachmittag ins Blade-Gefängnis. Ein Häftling namens Ramsey besitzt angeblich Informationen. Könnte sich auch als Fehlanzeige erweisen.«
»Könnte sich als alles Mögliche erweisen.«
»Das wissen wir erst, wenn wir mit diesem Ramsey gesprochen haben.«
»Und was ist mit Saint? Steht er immer noch unter Tatverdacht?«
»Die Fingerabdrücke des Burschen waren überall in Sinatras Haus. Wir wissen, dass er nicht dort war, um eine Pizza abzuliefern. Daher können wir ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gänzlich von der Liste streichen. Trotzdem bin ich überzeugt, dass mehr dahinter steckt. Es gibt eine Verbindung zwischen Lyerman und dem, was auf der Galla war. Er hat etwas auf diesem Wrack gefunden und es nach Boston zurückgebracht.«
McKenna bückte sich und hob eines der Blütenblätter auf. Sie rieb es zwischen den Fingerspitzen, während sie weitergingen. Die Luft war würzig und im Schatten der Bäume ein wenig kühler als in der prallen Sonne. Es war ein angenehmer Nachmittag.
»Ich habe heute Morgen von Brogan die Nachricht bekommen und mir die Tonbandaufzeichnung vom Dach des Lyerman Building angehört«, sagte McKenna. »Du erinnerst dich noch daran?«
Jefferson dachte an die beiden Leichen auf dem Dach des Lyerman Building, nass vom Regen und voller Blut. Die Stimme, die Brogan und er auf dem Band gehört hatten. Das Schreien, das Geräusch von reißendem Fleisch. Und dann: Mea est ultio. Jefferson würde diese Stimme niemals vergessen.
»Ja, ich erinnere mich.«
»Mea est ultio«, sagte McKenna.
»Was bedeutet es?«
»Es ist Latein. Es bedeutet: Mein ist die Rache.«
Sie blieb unvermittelt stehen und ließ das weiße Blütenblatt fallen, dann drehte sie sich zu ihm um. »Will, bitte versprich mir, dass du vorsichtig bist. Was auch immer dieses Ding ist, sei bitte vorsichtig. Ich möchte dich nicht verlieren.«
»Ich werde vorsichtig sein«, versprach Jefferson. »Ehrenwort.«
Mea est ultio.
Mein ist die Rache.
Jefferson legte die Finger um die feuchte Reling des Boston Harbor Cruiser, als das Schiff durch ein weiteres Wellental rollte. Salzige Gischt spritzte übers Vordeck des kleinen Schiffes bis in Jeffersons Gesicht. Seine Haut war nass und gerötet. Er atmete tief durch und schloss kurz die Augen, während er auf das Stampfen der Maschinen lauschte.
»Gott, wie ich das liebe«, sagte er. »Ich hatte ganz vergessen, wie es ist, draußen auf dem Meer zu sein.«
Brogan stand neben ihm. Der verletzte Arm hing steif in einer Schlinge, und der Ärmel des Trenchcoats war leer. Er schnitt eine Grimasse und blinzelte, als das Schiff erneut
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