Dämon
einer Entfernung von einem Block. Die zuckenden Lichter der Einsatzwagen warfen blaue Reflexe auf seine regennasse Windschutzscheibe. Ein Krankenwagen parkte an der Ecke des Gebäudes. Zwei Fahrer standen an die Seite gelehnt und unterhielten sich. Überall liefen Polizisten herum, leiteten den Verkehr um, redeten mit der Menge oder standen in der Lobby. Einer der Beamten nickte Jefferson beim Näherkommen zu und deutete zum Dach.
»Was denn, das Dach?«
»Ja. Ziemlich übel in einer verregneten Nacht wie heute. Ihr Jungs tut mir wirklich Leid. Ich liege im Bett und schlafe längst, bevor ihr auch nur angefangen habt.«
»Wie komme ich nach oben?«
Der Beamte deutete auf die Drehtür aus Glas. »Gehen Sie durch die Lobby und fragen Sie den Burschen am Empfangsschalter. Er zeigt Ihnen den Weg.«
Jefferson nickte und betrat das Gebäude.
Kalte Nachtluft umfing Jefferson, als er aus der Aufzugstür hinaus aufs Dach trat. Während der letzten Wochen war er in Florida gewesen, wo er einem alten Nachbarn geholfen hatte, seinen Alterswohnsitz in einer Rentnergemeinde einzurichten. Als er nun das Dach betrat, wurde ihm bewusst, dass er froh war, wieder zurück zu sein. Er hatte die Arbeit vermisst.
Leichter, kalter Regen fiel aus dem wolkenverhangenen Himmel. Jefferson erinnerte sich, im Globe gelesen zu haben, dass es drei Monate gedauert hatte, das Dach des Lyerman Building zu errichten. Ein schmaler Weg aus Holzschnipseln, gesäumt von Bänken aus Rosenholz, wand sich vom Aufzug unter Pappeln hindurch. Quer übers Dach, zum Teil hinter den Blättern der Bäume verborgen, zog sich ein schwarzer, brusthoher Sicherheitszaun. In der Mitte der Dachfläche stand ein rechteckiges Treibhaus, ganz aus Glas errichtet. Die Fenster standen offen, und im Innern erblickte Jefferson orangefarbene und rote Rosen in voller Blüte, die sich leicht im Luftzug der Ventilatoren wiegten.
Hinter dem Treibhaus stand ein Springbrunnen, drei ringförmig ineinander verschlungene Pferde, aus deren Mäulern Wasserstrahlen spritzten, um sich über einem in der Mitte befindlichen kleinen Teich zu vereinigen. Jefferson erhaschte einen Blick auf einen großen, orangefarben glitzernden Goldfisch, der im Wasser kreiste. In der Nähe des Teiches befand sich ein kleiner Wintergarten aus Ziegeln und Glas. Darin stand ein kunstvoll geschnitzter Schreibtisch, der aussah, als käme er aus Thailand, ein Sofa und ein großformatiger Fernsehschirm. Keine schlechte Einrichtung.
In Jefferson stieg gespannte Erwartung auf, wie immer bei einem neuen Fall.
Brogan stand unmittelbar vor dem Wintergarten, einen Fuß auf die Umrandung eines Whirlpools gestellt. Er trug weiße Handschuhe und hielt ein Weinglas in die Höhe, um dessen Rand zu inspizieren, bevor er an der Flüssigkeit darin roch. Im Whirlpool leuchteten grüne Scheinwerfer und erhellten den aufsteigenden Dampf von unten.
Vier Techniker suchten das Dach systematisch ab. Brogan blickte auf, als Jefferson näher kam. Sie kannten sich bereits aus der Zeit, als beide noch bei der Army gewesen waren. Jefferson war zur Army gegangen, weil er nicht gewusst hatte, was er sonst mit seinem Leben anfangen sollte. Brogan war zur Army gegangen, weil er ganz genau gewusst hatte, was er nicht wollte: im Gefängnis enden wie seine beiden Brüder.
Er war ein groß gewachsener Mann mit der Statur eines Bauarbeiters oder eines älteren Schwergewichtsboxers. Sein Haar war pechschwarz und kurz geschnitten, seine Arme lang, die Hände riesig. Seine Nase war vor Jahren einmal gebrochen und schief wieder zusammengewachsen, sodass er schnaufte, wenn er nicht durch den Mund atmete. Seine Frau hatte es »Teekesselpfeifen« genannt … damals, bevor sie gestorben war.
Brogan hielt das Weinglas weiter hoch, während er zu Jefferson blickte. »Riecht teuer«, bemerkte er.
»Bier aus dem Supermarkt hätte ich hier oben auch nicht erwartet«, erwiderte Jefferson. Er streifte sich ebenfalls weiße Latex-Handschuhe über und beugte sich hinunter zur Weinflasche, die noch immer auf dem Rand des Whirlpools stand.
»Châ-teau Car-ru-ad-es de Laffite-Rothschild«, buchstabierte er den Namen, der auf dem Etikett stand.
Vorsichtig stellte Brogan das Weinglas auf den Rand des Whirlpools zurück, richtete sich auf und streckte den Rücken.
»Was haben wir bis jetzt?«, fragte Jefferson.
»Zwei Opfer«, antwortete Brogan. »Die Meldung kam heute Nacht um null Uhr sechzehn. Ungefährer Zeitpunkt des Todes zweiundzwanzig Uhr
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