Dämon
fünfundvierzig.«
Jefferson wandte sich zum Rand des Daches. Der Polizeifotograf stand über zwei auf dem Weg liegende Gestalten gebeugt. Wiederholt zuckte das Blitzlicht auf, als er Fotos schoss.
Jefferson deutete auf die Leichen. »Wer?«
»Jill Euan, einundzwanzig, College-Studentin am Tufts. Kommt aus Dallas, Texas.«
»Und?«
»Und …«, antwortete Brogan bedächtig, »… Kenneth Lyerman, der Sohn von Joseph Lyerman.«
» Der Joseph Lyerman?«
»Genau.«
»O Mann …«, sagte Jefferson.
Joseph Lyerman hatte vor mehr als vierzig Jahren den Status eines Moguls erreicht, zusammen mit Männern wie Rupert Murdoch und Warren Buffett, als Ted Turner noch Rasen gezüchtet und in seinem College-Schlafraum Taxidermie geübt hatte. Genau wie der Name Rockefeller mit Standard Oil oder der Name Carnegie mit U. S. Steel verbunden wurde, war der Name Lyerman ein Synonym für eine Reihe großer Gesellschaften, angefangen bei Medien-Holdings bis hin zu Technologiekonzernen. Mitte der siebziger hatte Lyerman sogar einen Vorstoß in die Automobilindustrie unternommen und drei verschiedene Modelle auf den Markt gebracht. Cornelius Vanderbilt hatte einst gesagt: »Ich war mein Leben lang nur darauf aus, Geld zu scheffeln.« Gegen Lyerman war Vanderbilt ein armseliges Mauerblümchen.
Jefferson erinnerte sich an einen Zeitungsartikel über Lyerman und wie er damals im Kopf ausgerechnet hatte, dass er bei seinem gegenwärtigen Gehalt tausend Jahre arbeiten müsste, um so reich zu werden wie Lyerman. Der Mann war inzwischen Mitte achtzig, doch er führte seine Unternehmen noch mit der gleichen Entschiedenheit wie mit fünfzig Jahren. Jeffersons Großvater war Mitte siebzig und saß den ganzen Tag herum oder ging zum Angeln, wenn er nicht gerade im Radio einer Footballübertragung lauschte.
»Wer hat die Tat gemeldet?«, fragte Jefferson.
»Joseph Lyerman hat die Leichen gefunden und die Polizei alarmiert. Er weiß also schon Bescheid. Einer unserer Leute ruft die Polizei in Dallas an. In Texas ist es eine Stunde früher. Wir hielten es für das Beste, die Information so schnell wie möglich weiterzugeben.«
Ein surrendes Geräusch erklang, als einer der Techniker die Bank neben den beiden Leichen mit einem Handstaubsauger reinigte. Dann leerte er den Inhalt in einen Plastikbeutel und vermerkte den Beutel auf der Akte der Fundstücke. Jefferson beobachtete den Techniker und dachte an die Neue, McKenna Watson. Die Schönheit von Boston. Er war ihr noch nie persönlich begegnet, doch so besagten es die Gerüchte. Und Gerüchte machen schnell die Runde, wenn es um eine schöne Frau geht.
Brogan starrte düster auf das sprudelnd heiße Wasser im Whirlpool. »Kann nicht jemand dieses Ding abstellen?«, rief er mit verärgerter Stimme übers Dach hinweg.
»Wie geht es Lyerman?«, erkundigte sich Jefferson.
Brogan zuckte die Schultern. »Keine Ahnung. Ich hab bis jetzt noch nicht mit ihm geredet.«
»Bleibt diese Sache hier auf dem Land?«, fragte Jefferson. »Auf dem Land bleiben« bedeutete, dass im Polizeifunk nichts darüber gesagt wurde – eine Taktik, die immer dann benutzt wurde, wenn Berühmtheiten oder wichtige Persönlichkeiten in Ermittlungen verwickelt waren, gleich welcher Art, um zu verhindern, dass die Medien von der Sache Wind bekamen.
»Ja«, antwortete Brogan. Er schlug den Kragen gegen den Regen hoch. »Das Wetter hilft uns auch nicht gerade. Wenn dieser Scheiß vorbei ist, haben wir nichts, womit wir arbeiten können. Der Captain sitzt mir im Nacken. Er hätte beinahe einen Herzanfall bekommen, als er erfuhr, wer der Vater des Jungen war.«
»Das glaub ich gern«, sagte Jefferson.
Brogan zog eine silberne Thermoskanne aus der Tasche seines Regenmantels, schraubte den Deckel auf und goss eine dampfende Flüssigkeit in einen silbernen Becher.
Er bot Jefferson den Becher an. »Kaffee?«
»Nein, danke.«
»Das Baby ist gestern Nacht schon wieder um drei Uhr wach geworden«, brummte Brogan und nippte am Becher. »Wollte gar nicht aufhören zu weinen.«
Jefferson lächelte und zog die Schultern hoch gegen das ungemütliche Wetter.
Die Wasserwirbel im Whirlpool brachen urplötzlich ab, und Stille kehrte ein.
»Na endlich«, murmelte Brogan, drehte sich zu dem Techniker um und sagte: »Pumpen Sie das Wasser ab, und lassen Sie es untersuchen.«
Er trank einen weiteren Schluck Kaffee; dann fragte er: »Willst du dir die Show ansehen?«
Jefferson nickte. »Klar.«
Die beiden Männer gingen über den
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