Dämon
Rasen zu den Bänken. Der Tatort war mit einem gelben Polizeiband abgesperrt. Jefferson und Brogan zogen Plastikhüllen über ihre Schuhe, um zu verhindern, dass der Tatort kontaminiert wurde.
Am Boden lagen zwei Tote, ein Mann und eine Frau. Der Mann trug eine Badehose, die junge Frau einen weißen Bademantel, der halb ausgezogen war. Darunter hatte sie einen knapp sitzenden schwarzen Bikini. Sie lag mit dem Gesicht nach oben auf dem Weg, einen Arm halb über eine Bank, die Beine schlaff, jedoch zusammen. Der Mann lag mit dem Gesicht nach unten in den Holzschnipseln, mit denen der Weg bedeckt war.
Die junge Frau musste eine Schönheit gewesen sein, als sie noch lebte, das sah Jefferson auf den ersten Blick. Vielleicht sogar ein Model. Sie besaß langes, kastanienbraunes Haar, das an verschiedenen Stellen von getrocknetem Blut verklebt war. Ihr Körper war schlank und biegsam, ihre Beine lang und gebräunt.
Über ihre Kehle zog sich eine dunkle Linie. Jefferson hatte sich früher merkwürdig gefühlt, wenn er attraktive Tote gesehen hatte. Doch die Dinge ändern sich. Sieh dir ihre Titten an, die sind bestimmt nicht echt. Tolle Beine. Wunderschönes Gesicht. Heutzutage war er so sehr an den Anblick von Toten gewöhnt, dass er sie die meiste Zeit wie Fotos betrachtete. Und die Männer, mit denen Jefferson arbeitete, redeten über die Toten wie über Fotos. Es dauerte eine Weile, bis man sich daran gewöhnt hatte. Danke sehr, Boston. Andererseits – es könnte schlimmer sein. Wenigstens war er nicht in Washington oder in New York, wo sie jeden Tag neue Leichen von den Bürgersteigen kratzten.
»Glücklicher Bursche, wie?«, meinte Brogan und nahm einen weiteren Schluck Kaffee.
»Ja. Hatte eine atemberaubend schöne Freundin.« Jefferson nickte.
Brogan lockerte seine Krawatte und knöpfte den obersten Hemdenkopf auf. »Möchtest du wissen, was sich bisher ergeben hat?«
Jefferson nickte. »Das wäre nett.«
Brogan nickte ebenfalls, nahm einen Palm Pilot hervor und scrollte über den Bildschirm.
»Ich erinnere mich an Zeiten, als Detectives noch Papier und Stift benutzt haben.«
»Man muss mit der Zeit gehen, Bruder. Okay, wollen mal sehen … ah, hier haben wir’s. Der Anruf kam sechzehn Minuten nach Mitternacht, von Mr Lyerman. Allerdings nicht über den gewöhnlichen Notruf, sondern direkt ganz nach oben. Nicht über die Neun-eins-eins.«
»Nicht?«
»Nein. Er hat direkt den Captain angerufen. Lyerman kennt ihn persönlich.«
»Okay.«
»Jetzt kommt der seltsame Teil«, begann Brogan. »Es gab einen weiteren Anruf, früher in der Nacht, diesmal zur Neun-eins-eins, und von genau der gleichen Adresse. Dieser Anruf kam um zweiundzwanzig Uhr fünfzehn.«
»Viertel nach zehn? Vor der Mordmeldung?«, fragte Jefferson.
»Genau.« Brogan scrollte weiter über den Schirm seines Organizers. »Die Mordmeldung war der zweite Anruf, der von dieser Adresse kam.«
»Worum ging es beim ersten Anruf? Dem um Viertel nach zehn?«
»Möglicherweise Einbruchdiebstahl.«
»Einbruchdiebstahl?«
»Genau. Und das ist das Merkwürdige an der Sache. Ungefähr vier Minuten nach diesem Anruf kriegen wir einen weiteren Anruf von einem Wachmann, der dort arbeitet. Dieser Bursche sagt, der Einbruchalarm wäre irrtümlich ausgelöst worden. Ein falscher Alarm.«
»Zur Neun-eins-eins?«
»Genau.«
»Und? Haben wir die Streifenwagen zurückgepfiffen?«
»Sicher. Der Wachmann hatte den korrekten Autorisierungskode und kannte die Alarmprozedur. Außerdem hat er gesagt, er selbst wäre es gewesen, der den ersten Anruf getätigt hätte.«
»Haben wir seinen Namen?«
»Ja«, sagte Brogan.
»Und knapp zwei Stunden später ruft Lyerman an und meldet einen Mord«, sagte Jefferson.
»Das ist richtig«, bestätigte Brogan. »Eigenartig, nicht wahr?«
»Allerdings.«
»Und das ist noch längst nicht alles«, fuhr Brogan fort. »Komm mit und sieh dir an, was wir da drüben gefunden haben.«
Brogan führte Jefferson zum Rand des Daches und blieb dicht vor dem schwarzen Geländer stehen. Die Oberseite des Metalls war mit roten Flecken übersät. Direkt neben den roten Flecken lagen Erdreich und Schmutz. Jefferson brachte sein Gesicht nahe ans Geländer und betrachtete die Flecken und Krümel genauer.
»Was ist das?«, fragte er. »Blut?«
»Wir haben eine Probe abgekratzt«, antwortete Brogan. »Aber mein Instinkt sagt mir, dass es kein Blut ist, sondern irgendetwas anderes.«
Brogan zog eine weiße Folienverpackung mit Kautabak
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