Daemonen des Lichts
wortlos. Ich stieß die Luft aus. »Also hat man sie ins Krankenhaus und mich in eine Pflegefamilie gesteckt. Es war … grauenhaft. Ich war fast einen Monat dort.«
»Und was war mit deiner Tante?«, sagte Alex. Seine Finger fühlten sich warm an.
Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Ich wusste nicht, wo sie lebte, aber sie haben sie vermutlich ziemlich schnell ausfindig gemacht. Es hat wohl einfach eine Weile gedauert … bis entschieden war, wie es weitergehen sollte.«
Seine Stimme wurde hart. »Na und? Willst du damit sagen, dass sie dich einfach einen Monat lang bei Pflegeeltern gelassen hat?«
Ich nickte langsam und dachte an das winzige Zimmerchen, das ich mit einem Mädchen namens Tina geteilt hatte – sie hatte immer gewollt, dass ich mit ihr redete, doch ich hatte mit niemandem gesprochen. Stundenlang hatte ich auf meinem Bett gelegen, die Wand angestarrt und alle dort gehasst.
»Tja«, sagte ich schließlich. »Ich weiß ja nicht, wie ihr Leben so aussah, aber wahrscheinlich war es … eine ziemliche Veränderung, ohne jede Vorwarnung eine Neunjährige aufs Auge gedrückt zu bekommen.«
Alex sagte nichts und ich fuhr fort. »Egal, nach einiger Zeit kam sie jedenfalls und holte mich ab und ich bin mit ihr zurück nach Pawntucket gefahren. Und ein paar Wochen später ist Mom ebenfalls dort eingezogen. Die Ärzte waren zwar der Meinung, sie sollte in eine Klinik eingewiesen werden, aber dafür reichte das Geld von der Versicherung nicht. Ich glaube, so was ist … ziemlich teuer.« Ich senkte den Blick. »Weißt du, ich habe meinen Vater sowieso schon immer für das gehasst, was er ihr angetan hat. Aber zu wissen, dass er nur auf Beute aus war und dass sie ihm nie etwas bedeutet hat, macht es irgendwie … noch tausendmal schlimmer.« Ganz zu schweigen davon, dass ich von ihm abstammte, dass ich ein Teil von ihm war. Ich sprach es nicht aus.
»Ich weiß«, sagte Alex. Und an dem Tonfall seiner Stimme erkannte ich, dass er es wirklich wusste. Er verstand haargenau, wie ich mich fühlte, verstand sogar die Dinge, die ich nicht ausgesprochen hatte. Er drückte meine Hand und eine Weile saßen wir schweigend nebeneinander. »Du bist allerdings nicht dein Vater. Du bist vollkommen anders. Du warst für sie da, sie hat dir mehr bedeutet als irgendwer sonst.«
Ich schluckte schwer, so viele Erinnerungen standen mir vor Augen. »Sie ist meine Mom. Ich liebe sie. Ich wünschte nur, ich … hätte sie damals nicht im Stich gelassen.«
»Willow.« Mit seiner anderen Hand berührte Alex meine Wange. »Du weißt, dass das nicht stimmt, oder? Du hast es besser gemacht als manche Erwachsene an deiner Stelle, und du warst erst neun. Du hast getan, was du konntest.«
Ich ließ die Luft aus meinen Lungen strömen, schloss meine Hand um seine und lehnte den Kopf dagegen. »Danke.« Ich rang mir ein Lächeln ab. »Ich habe noch nie, ahm … mit jemandem darüber geredet. Danke fürs Zuhören.«
Er lächelte ein bisschen. »Ich habe auch noch nie jemandem von meinem Dad erzählt«, sagte er. Er beugte sich vor und küsste mich. Und ich legte ihm die Hand in den Nacken, zutiefst dankbar dafür, dass wir uns irgendwie gefunden hatten.
Dass wir trotz allem, was passiert war, trotz der Gefahr, in der wie uns befanden …, etwas so Erstaunliches miteinander erleben durften.
»Halt still«, sagte Alex.
»Ich kann nicht!«, japste ich. Ich war über den Bach gebeugt und mein Haar war eine einzige, mit Shampoo getränkte glitschige Masse. Ich kreischte und lachte zugleich, als Alex einen Schwall Wasser darüberkippte. »Oh! Das ist so kalt!«
Alex fing ebenfalls an zu lachen. »Du wolltest sie doch waschen.«
»Was sollte ich denn machen? Das war ja schon eklig … Ist alles Shampoo raus?«
»Nö. Noch nicht mal annähernd.«
Ich quietschte, als er Dose um Dose über meinem Kopf ausleerte. Gänsehaut überzog meine Arme, meine Kopfhaut brannte vor Kälte. Schließlich – ich war kurz davor ihn aufzufordern, das Ganze zu vergessen, und ihm mitzuteilen, es ginge mir sonst wo vorbei, ob ich noch Shampoo in den Haaren hätte oder nicht – sagte er: »Okay, ich glaube, das war’s.« Ich spürte, wie er mir das T-Shirt um die Haare wickelte und das Wasser herausdrückte.
Ich richtete mich vorsichtig auf und zitterte, als mir eiskalte Wassertropfen in den Nacken rannen. »Das war das letzte Mal, dass ich mir die Haare gewaschen habe, und wenn sie noch so eklig werden.«
Alex rieb mir energisch die Arme und
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