Daemonen des Lichts
beherrschter Stimme. »Also denken Sie darüber nach – aber nicht zu lange. Uns läuft die Zeit davon.« Sie brachte eine Visitenkarte und einen Stift zum Vorschein, strich die Telefonnummer auf der Karte durch und schrieb eine neue darunter. »Hier«, sagte sie und gab sie ihm. »Rufen Sie mich umgehend an, wenn Sie sich entschieden haben.«
Jonah nickte und blickte auf die Karte: Sophie Kinney, CIA. Er würde sie wegschmeißen, wenn er erst wieder in seiner Wohnung war. Selbst wenn jedes einzelne ihrer Worte stimmte, konnte er ihre Bitte auf keinen Fall erfüllen.
»Danke, dass Sie gekommen sind«, sagte Nate. Sein Stuhl schrammte leicht über die Dielenbretter, als er aufstand. »Wir lassen Sie jetzt in Ruhe. Und Jonah …«
Jonah sah auf und der Engel lächelte ihn an – traurig, verständnisvoll. Seine Augen durchbohrten ihn. »Sophie hat recht«, sagte er. »Überlegen Sie nicht zu lange.«
Gemächlich verstrichen die Tage und aus einer Woche wurden ganz allmählich zwei. Es begann, sich so anzufühlen, als hätten Alex und ich schon immer hier oben in der Hütte gewohnt; als hätten wir alle Zeit der Welt. Allerdings wurde das ruhige Gleichmaß unserer gemeinsamen Tage hin und wieder von einer abgrundtiefen Angst durchbrochen, die mich aus heiterem Himmel überfallen konnte – eine düstere Vorahnung, als würde hinter dem Horizont etwas auf uns lauern. Ich konnte nicht ausmachen, ob dort tatsächlich etwas war oder ob mir nur meine eigene Unruhe einen Streich spielte. Alex gegenüber erwähnte ich nichts. Es hatte ja doch keinen Zweck, solange ich nichts Konkreteres vorweisen konnte. Wir wussten beide, dass wir in Gefahr schwebten und dass unsere Tage hier oben gezählt waren. Von allem anderen einmal abgesehen, war allein schon die zunehmende Kälte ein sehr deutlicher Hinweis. In der scharfen, eisigen Luft kündigte sich unmissverständlich der Winter an. Wenn wir nach draußen gingen, musste ich oft zwei Pullover übereinander anziehen.
Nicht mehr lange und wir würden uns der Realität stellen und eine Entscheidung treffen müssen, was wir als Nächstes tun wollten. Ich wusste, dass sich Alex ebenfalls darüber im Klaren war – es gab jetzt oft Momente, in denen er ganz still wurde und sehr nachdenklich aussah. Ich fragte nicht nach, denn ich hatte keine Lust, das Thema zur Sprache zu bringen, noch nicht. Denn obwohl ich wusste, dass es nicht stimmte, hatte ich das Gefühl, als würden unsere Tage dort oben irgendwie ewig währen, wenn wir es nur lange genug vermeiden konnten, darüber zu reden.
Trotz dieser Sorgen war unsere gemeinsame Zeit noch immer wunderschön. Und obwohl es mir eigentlich unmöglich schien, kamen Alex und ich uns noch näher als zuvor, bis wir wie zwei Hälften eines Ganzen waren.
»Er war einfach … unglaublich«, sagte Alex. Vor einer Weile hatten wir gegessen, und nun saßen wir zusammen und unterhielten uns, während der goldene Schein der Camping-Laterne auf den Tisch zwischen uns fiel. »Niemand außer ihm wusste überhaupt, dass es Engel gab, geschweige denn, wie man sie tötete. Dad musste am Anfang alles alleine machen. Er ging auf die Jagd, um sie aufzuspüren. Dann probierte er aus, wie man sie vernichten konnte – es grenzt an ein Wunder, dass er das alles überlebt hat. Aber irgendwie hat er’s geschafft.«
Ich hatte mein Kinn in die Hand gestützt und hörte zu. »Wo waren du und Jake während dieser Zeit?«, fragte ich.
»Zuerst zu Hause, in Chicago. Er hatte jemanden engagiert, der auf uns aufpasste.«
Ich schluckte. Und das, nachdem gerade ihre Mutter gestorben war? Wie schrecklich für zwei so kleine Kinder. »Okay, und wie ging es weiter?«, fragte ich nach einer Pause.
»Dann, ungefähr sechs Monate später, als sie ihm seine Gelder bewilligt hatten und er so weit war, dass er anfangen konnte, andere Leute auszubilden, sind wir mit ihm ins Camp gezogen. Er war aber immer noch sehr viel unterwegs – er musste neue AKs rekrutieren, Spuren verfolgen und so was alles. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis das Projekt wirklich in Gang kam.« Alex lächelte schief und spielte mit einer Camping-Gabel. »Und dann noch ein paar Jahre, bis er durchgedreht ist.«
»Durchgedreht ist?« Ich starrte ihn überrascht an. »Das wusste ich nicht.«
Alex tippte mit der Gabel auf den Tisch. »Ja, habe ich dir das nicht erzählt? Ein paar Jahre lang – fünf vielleicht, so genau weiß ich das nicht – war Dad der Beste von allen. Niemand, wirklich niemand, war
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