Daemonen des Lichts
grinste. »Das sagst du echt jedes Mal.«
»Diesmal ist es mein voller Ernst. Ich schwöre, das Wasser ist mindestens zehn Grad kälter als sonst.«
Zurück in der Blockhütte setzte ich mich aufs Bett und kämmte mir die Haare, wobei ich versuchte, die Schlafsäcke nicht vollzutropfen. Es war eine solche Erleichterung, wieder saubere Haare zu haben, sogar wenn sie nach dem Waschen völlig verzottelt waren. Alex saß neben mir.
»Deine Nase ist ganz rot«, sagte er.
»Ja, so ist das eben, wenn ich an Unterkühlung sterbe.«
Alex beugte sich vor und gab mir einen kleinen Kuss auf die Nasenspitze. Dann erhob er sich und ging zu seiner schwarzen Tasche hinüber und zog den Reißverschluss einer Innentasche auf. Er kam zurück und setzte sich wieder neben mich. »Hier«, sagte er und überreichte mir eine kleine weiße Schachtel. »Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag.«
Verdattert griff ich langsam nach der Schachtel. Ich hatte hier oben jegliches Zeitgefühl verloren. »Heute ist mein Geburtstag? Aber … woher wusstest du das?«
Alex grinste verlegen. »Öh … ich habe mir mal deinen Führerschein angeguckt, als du in der ersten Nacht im Motel duschen warst.«
Ich hielt die Schachtel in den Händen. »Hast du nicht! Das ist ungerecht – du hast noch nicht mal einen Führerschein mit echten Angaben.« Ich sah auf die Schachtel und berührte den leicht eingedrückten Deckel. »Was ist das?«
»Mach doch auf und schau nach.«
Vorsichtig zog ich den Deckel ab. Und dann saß ich einen Moment nur da und machte große Augen. In der Schachtel lag eine Halskette – eine schmale, glänzende Silberkette mit einem tränenförmigen Anhänger aus Kristall. »Ist die schön«, hauchte ich und nahm sie heraus. Die Facetten des Anhängers funkelten in der Sonne, während er sich langsam an der Kette drehte. »Alex, das ist so …« Ich geriet ins Stocken, mir fehlten die Worte.
Er lächelte, als er meinen Gesichtsausdruck sah. »Sie hat mich … an dich erinnert«, sagte er. »An deine Engelsflügel.«
Es war, als bliebe mir das Herz stehen. Wir erwähnten meinen Engel kaum. Ich dachte nicht gern an sie. Und für gewöhnlich musste ich das auch nicht. Ganze Tage am Stück hatte ich sie hier oben in den hintersten Winkel meines Gehirns verbannen und beinahe vergessen können, dass ich nicht vollständig menschlich war.
»Meine Engelsflügel?«, wiederholte ich.
Alex nickte. »So wie sie in der Sonne geglitzert haben.«
»Aber …« Ich starrte wieder auf den Anhänger, während meine Gedanken wild durcheinanderwirbelten. »Aber du musst sie gekauft haben, bevor wir zusammengekommen sind.«
»Ja, als ich dir was zum Anziehen besorgt habe.« Er zog ein wenig den Kopf ein und äugte mir ins Gesicht. »He, was ist los?«
Ich konnte es kaum in Worte fassen. Der Anhänger leuchtete so klar und hell. »Es macht dir nicht nur nichts aus, dass ich ein Halbengel bin, oder?«, sagte ich langsam. »Du … akzeptierst es sogar.«
Alex lachte und klopfte mir scherzhaft mit der Faust an die Stirn »Hallo!? Schnellmerker!«
Ich wusste, dass ich mich nicht gut ausgedrückt hatte. »Es ist ja nur … wenn du so etwas siehst und dabei an meinen Engel denken kannst, dann musst du echt …« Ich brach ab und kam mir dämlich vor, weil ich die richtigen Worte nicht fand.
Es entstand eine lange Pause. Schließlich räusperte sich Alex. »Weißt du was? In diesem Motelzimmer in Tennessee bin ich nachts mal aus einem Albtraum aufgewacht. Er war richtig schlimm und eine Zeit lang hatte ich ihn ziemlich oft. Und dann habe ich mir deinen Engel angesehen.« Er musterte mein Gesicht. »Sie ist wunderschön, Willow – sie sieht genauso aus wie du, nur strahlender. Und ein Blick auf dein Gesicht hat genügt, damit ich wieder einschlafen konnte.«
Es schnürte mir die Kehle zu. Bereits damals in Tennessee hatte er so empfunden? »Aber alle Engel sind schön«, wandte ich einen Moment später ein. »Und trotzdem sind sie tödlich.«
»Du verstehst das einfach nicht«, sagte Alex. »Ja sicher, alle Engel sind schön, aber sie sehen eben nur so aus. Dein Engel ist du, sie ist ein Teil von dir. Sie ist genauso schön wie du und das heißt, sie ist … alles, was ich liebe.«
Ich saß ganz still da und schaute ihn unverwandt an. »Alex …«
Er lächelte nachsichtig und schüttelte den Kopf. »Willow, ich dachte, das wüsstest du.«
Ich senkte den Blick wieder auf die Kette, fast zu gerührt, um zu sprechen. »Ich liebe sie. Vielen Dank.«
Weitere Kostenlose Bücher