Dämonen zum Frühstück
»Ich weiß nicht. Ist auch egal.« Ich hielt es zwar nicht für so unwichtig, aber ich wollte sie nicht unterbrechen. »Doch als ich vorhin vorbeikam und sah, wie du aus der Garage fuhrst –«
»Einen Moment.« Ich hielt die Hand hoch. »Du kamst hier vorbei? Mitten in der Nacht? Warum?«
Sie errötete. »Ich war auf dem Weg zum Supermarkt, um Eiscreme zu kaufen.« Sie vermied es, mir in die Augen zu sehen. Ihre Wangen schienen noch röter als zuvor zu werden. »Da entschloss ich mich, kurz bei dir vorbeizuschauen und zu sehen, ob bei euch noch die Lichter an sind. Gerade, als ich vor eurem Haus parken wollte, kamst du herausgefahren. Ich dachte, dass du vielleicht auch noch einkaufen willst, und bin dir gefolgt. Als du immer weiterfuhrst, war meine Neugierde geweckt. Mindy und Paul waren bereits im Bett, und deshalb hielt ich es für keine schlechte Idee, herauszufinden, was du so treibst.«
Ich unterdrückte ein Stöhnen. Wenn ich nicht so sehr an Eddie Lohmann gedacht hätte, wäre mir bestimmt ihr Wagen aufgefallen. Vermutlich waren es Lauras Schritte, die ich in der Gasse gehört hatte – und die mir sogleich aus dem Sinn gekommen waren, als ich die Schreie vernahm.
»Okay«, sagte ich. »Jetzt verstehe ich zwar, wie du dorthin gelangt bist, aber ich begreife immer noch nicht, warum du mir überhaupt gefolgt bist.«
Sie antwortete mir so leise, dass ich sie nicht verstehen konnte.
»Komm schon, Laura. Du weißt doch, dass du mir alles sagen kannst. Spuck es einfach aus.«
»Ich-habe-angenommen-du-hast-eine-Affäre«, ratterte sie so schnell herunter, dass es fast nach einer fremden Sprache klang.
»Eine Affäre?« Ich dachte einen Moment lang darüber nach. »Was ist los mit dir? Das sagst du mir nun schon zum zweiten Mal, und ich kann nur wiederholen: Habe ich nicht. Wie kommst du auf solche Ideen?«
Sie zupfte an einer abgeriebenen Stelle ihrer Jeans. »Du gehst spätnachts noch weg. Du verhältst dich irgendwie anders … Na ja, du weißt schon.«
»Du hast mich einmal dabei gesehen, wie ich gekämpft habe. Du hast mich einmal dabei beobachtet, wie ich spätnachts das Haus verlasse.« Ich merkte, dass meine Stimme plötzlich schriller geworden war, doch es gelang mir nicht, das abzustellen. »Daraus kann man doch noch nichts schließen. Warum fällt dir in diesem Zusammenhang gleich eine Affäre ein? Es ist doch nicht so, als ob …«
In diesem Augenblick begriff ich es. Ich lehnte mich zurück. »Oh nein, das darf doch nicht wahr sein! Hat Paul etwa …?« Ich brach ab, denn ich brachte es nicht über mich, die Frage auszuformulieren.
»Ich glaube schon«, flüsterte sie. Sie holte tief Luft und rieb sich mit dem Handrücken eine Träne aus dem Auge. Dann lächelte sie mich unsicher an. »Natürlich ist es mir bisher noch nicht gelungen, den Mistkerl dabei zu erwischen. Er ist viel zu geschickt. Aber als Frau spürt man so etwas.«
»Du könntest dich auch irren«, gab ich zu bedenken. »Schließlich hast du dich auch bei mir geirrt.«
»Das schon, aber mit dir schlafe ich ja auch nicht.« Ihr Lachen klang harsch. »Natürlich schlafe ich auch nicht mehr mit Paul. Und was dich betrifft, so magst du vielleicht keine Affäre haben, aber irgendetwas führst du im Schilde. Fragt sich nur, was.«
»Laura, komm schon.« Ich schlug ein Bein über das andere und wandte mich ihr ganz zu. »Ich habe schon gesagt, dass ich es dir erzähle – und das werde ich auch. Aber wenn du über das Ganze sprechen möchtest …«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf, als ob sie sich selbst davon überzeugen müsste. »Nein, ich glaube nicht, dass ich das möchte. Ich habe schon bis zum Erbrechen mit mir selbst darüber geredet. Jetzt will ich, ehrlich gesagt, einfach nicht mehr daran denken. Und die Geschichte, die sich hinter dem Mord eines Bundesrichters an einem Jugendlichen in einer dunklen Gasse verbirgt, könnte es durchaus schaffen, mich abzulenken. Wenn man noch die Tatsache hinzufügt, dass meine beste Freundin einen wirklich gruseligen Hund zur Strecke gebracht hat, könnte ich mir vorstellen, dass ich während der nächsten zwölf Stunden weder an Paul noch an seine Affäre denken werde.«
»Um ehrlich zu sein«, erklärte ich, »hat der Richter keinen Menschen ermordet. Es war etwas ganz anderes. Ich glaube, dass dich meine Geschichte vielleicht volle vierundzwanzig Stunden davon abhalten wird, an Paul zu denken. Möglicherweise sogar länger.«
»Endlich einmal gute Nachrichten«, meinte Laura. »Dann schieß los.«
Weitere Kostenlose Bücher