Daemonenblut

fuhren.
    » Charing Cross Krankenhaus « , war die Antwort.
    Ich hatte einige Fragen, schluckte aber so ziemlich jede davon runter. Schon unter normalen Umständen war Nick nicht gerade der gesprächige Typ. Jetzt, wo er seine Hände so fest um das Lenkrad klammerte, dass seine Knöchel weiß hervortraten, war er nahezu vollständig verstummt. Seine Anspannung hing beinahe greifbar in der Luft, und ich wünschte, ich könnte etwas tun, um sie ihm zu nehmen. Ich hatte meine Mom verloren, doch das war zu einer Zeit gewesen, als ich noch nicht um die Bedeutung von Tod und Verlust wusste. Seitdem hatte es in meinem Leben keine weiteren Berührungspunkte mit dem Tod gegeben, wofür ich zutiefst dankbar war. Ich konnte mir nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie Nick sich fühlen mochte. Noch weniger wollte es mir gelingen, tröstende Worte zu finden, die nicht nach leeren Phrasen klangen.
    Wenn der Tote im Leichenschauhaus wirklich Adam war und er diesen Herzstein nicht bei sich hatte oder wir nicht zumindest einen Hinweis auf dessen Verbleib fanden, gab es keine Hoffnung mehr für Nicks Großvater. In dieser Erkenntnis lag eine erschreckende Endgültigkeit.
    Seit wir in Camden losgefahren waren, fuhr Nick schneller als erlaubt. Ich biss mir die ganze Zeit über auf die Zunge und verkniff mir jeden Kommentar dazu. Als er allerdings zum zweiten Mal beinahe eine rote Ampel überfuhr, war der Moment gekommen. » Du hilfst niemandem, wenn du jetzt noch einen Unfall baust. «
    Er warf mir einen finsteren Blick zu und bog mit quietschenden Reifen von der Kensington High Street in die Warwick Road.
    » Nick! « , protestierte ich, als es mich gegen die Tür drückte. » Ich weiß, dass du es eilig hast, aber wer auch immer in diesem Leichenschauhaus liegt, ist bereits tot. Ob wir nun zwei Minuten früher dort sind oder nicht, macht keinen Unterschied mehr. Wenn du allerdings einen Crash baust, werden wir deutlich länger brauchen, als wenn du einfach vernünftig fährst. «
    Eine Weile geschah nichts. Keine Reaktion. Dann ging er plötzlich vom Gas und die Tachonadel fiel auf die erlaubten dreißig Meilen. Nicks Griff um das Lenkrad lockerte sich ein wenig.
    Tatsächlich dauerte es nur noch ein paar Minuten, bis wir die Zufahrt zum Krankenhausparkplatz erreichten. Zu meiner Überraschung hielt sich Nick an die vorgeschriebene Schrittgeschwindigkeit, dafür interessierte er sich nicht für die Parkverbotsschilder, die überall um den Eingangsbereich herum aufgestellt waren und lediglich das Ein- und Aussteigen gestatteten.
    » Dir ist klar, dass dein Auto abgeschleppt sein wird, bis wir wieder rauskommen « , sagte ich, als er Anstalten machte, einfach vor dem Haupteingang stehen zu bleiben.
    Wortlos fuhr er weiter bis zu einem kleinen Parkplatz, wo er den Wagen in der einzigen freien Lücke abstellte. Zu meinem Erstaunen zog er sogar den nötigen Parkschein und platzierte ihn auf dem Armaturenbrett.
    Ich wandte mich dem Haupteingang zu, als er nach meinem Arm griff und mich zurückhielt. » Du musst das nicht tun. « Es waren seine ersten Worte, seit er mir gesagt hatte, wohin wir fuhren. » Du kannst im Wagen warten. «
    » Ich weiß « , sagte ich und ging weiter.
    Das Krankenhaus war, wenn ich mich nicht verzählt hatte, ein fünfzehnstöckiger, kreuzförmiger Bau aus Stahlbeton und Glas. Drinnen war es kein bisschen kühler als draußen. Die Luft war nur feuchter und abgestandener. Daran konnte auch der Geruch nach Desinfektionsmittel nichts ändern, der durch die steril aussehenden Hallen und Gänge trieb. Krankenhäuser waren doch alle gleich. Hell und freundlich sollten sie aussehen, auf mich aber wirkten die ewig gleichen Wandanstriche und Bodenbeläge nur deprimierend. Es war diese Art von Hellgrau, Weiß und viel zu blassem Gelb, die einem förmlich ins Gesicht zu schreien schien, dass man hier gefälligst optimistisch und voller Hoffnung zu sein hatte. Vermutlich funktionierte das unter normalen Umständen schon nur bedingt. Wenn man, wie wir, auf der Suche nach der Leichenhalle war, waren all die hoffnungsfrohen Farben für die Katz. Für mich machte es jedenfalls keinen Unterschied, ob die Böden und Wände nun weiß, schwarz oder blassblau kariert waren. Wir waren auf dem Weg zu einem Toten.
    Auf der Suche nach der Pathologie warfen wir einen Blick auf die Tafeln, gaben aber recht schnell auf, dem Gewirr aus wegweisenden Farben und Abteilungskürzeln einen Sinn abtrotzen zu wollen, und ließen uns den Weg an der