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Daemonenblut

Daemonenblut

Titel: Daemonenblut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Melzer
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mal eben abgespritzt wurde, verdrängte ich ganz schnell wieder.
    Zu unserer Linken standen mehrere leere Bahren, deren Oberfläche kalt schimmerte. An der hinteren Wand reihten sich ein paar Stahlschränke aneinander, und rechts waren Metalltüren in die Wand eingelassen, hinter denen die Toten in ihren Kühlfächern lagen. Allein die Vorstellung war gruselig. Wie viele von ihnen waren bereits ins Licht gegangen? Und wie viele hingen hier fest und warteten darauf, eine letzte Nachricht loszuwerden, oder darauf, dass ihr Mörder gefasst wurde?
    Sah es im Fernsehen auch immer so aus? Trotz unzähliger gesehener Krimis und Thriller konnte ich mich plötzlich nicht mehr erinnern. Ich sah nur noch die Wirklichkeit vor mir, und die bestand aus einer weiteren Bahre im Zentrum des Raumes, auf der sich, verborgen unter einem blauen Laken, die Umrisse eines menschlichen Körpers abzeichneten.
    Ich stellte mich dicht neben Nick, so dicht, dass sich unsere Arme berührten. Er sollte wissen, dass ich für ihn da war. Aber ganz sicher würde ich nicht hinsehen, sobald Jones das Laken zurückzog. Es gab Grenzen, und das war eine, die ich nicht überschreiten wollte.
    Als Jones das Laken hob, griff ich nach Nicks Hand und starrte auf meine Schuhe. Schöne Schuhe, wirklich. Ich sollte viel mehr Zeit damit verbringen, sie anzusehen. Besonders in Situationen wie dieser. Wenn nur nicht diese Stille gewesen wäre. Niemand sagte ein Wort, Nick schien sogar das Atmen eingestellt zu haben.
    Mein Gott, jetzt sag doch was!, flehte ich ihn innerlich an.
    Sekunden verstrichen, die Stille war kaum noch auszuhalten. Schließlich atmete Nick aus.
    » Das ist er nicht « , sagte er.
    Und dann tat ich es doch. Ich war so überrascht und erleichtert, dass ich meine Augen nicht länger unter Kontrolle hatte. Mein Blick glitt nach oben, über das Tuch, zum Gesicht des Toten. Dann blieb die Welt stehen. Zumindest fühlte es sich so an.
    Ich musste einen Laut ausgestoßen haben, denn plötzlich packte mich Nick bei den Schultern und drehte mich zu sich herum. » Riley! Sieh mich an! Verflucht! Was ist los? «
    Wie betäubt löste ich meinen Blick vom Gesicht des Toten. Nur langsam gelang es mir, Nicks Züge zu fokussieren. Sein kantiges Kinn, die grauen Augen, die Ernsthaftigkeit in seinem Blick, zu der sich jetzt Sorge gesellte. Sorge um mich, wie ich befremdet feststellte.
    » Riley? « , wiederholte er noch einmal, fast schon sanft.
    » Ich… « Mein Mund war so trocken, dass meine Zunge am Gaumen kleben blieb. » Ich kenne ihn. «
    Er hatte keine Ähnlichkeit mehr mit dem Surfer-Typen, für den ich ihn bei unserer ersten Begegnung gehalten hatte. Sein halblanges Haar lockte sich nicht mehr über seinen Ohren, sondern hing schlaff und leblos herunter. Die Augen waren geschlossen, wofür ich dankbar war. Ich wusste auch so, dass der Schalk und alle Wärme für immer aus seinem Blick verschwunden waren. Craig Lucas hatte mich nicht versetzt. Er war tot.
    » Er ist… er war « , korrigierte ich mich, » Praktikant bei einem Tierarzt. Wir waren verabredet, aber er ist nicht gekommen. « Und ich habe gedacht, er hätte mich versetzt! Ich war so wütend gewesen. So verletzt und enttäuscht. » Kann ich vielleicht einen Moment mit ihm allein sein? « Meine Stimme schien gar nicht von mir zu kommen, so weit entfernt klang sie. » Ich würde gern… Kann ich eine Minute allein sein? «
    » Sicher. « Jones nickte. » Ich warte im Büro auf Sie, dann können Sie mir seine und Ihre Daten geben. «
    Nick betrachtete mich prüfend, als wolle er sichergehen, dass er mich allein lassen konnte. Schließlich ließ er mich los. » Ich hole dir einen Kaffee. Du siehst aus, als könntest du einen vertragen. «
    Die beiden gingen und ich blieb allein zurück. Allein mit Craigs Leichnam. Auf einmal war ich mir nicht mehr so sicher, ob das wirklich so eine gute Idee war. Es fiel mir schwer, ihn anzusehen. Trotzdem zwang ich mich dazu. Ich hatte ihn gemocht. Doch es war nicht der Umstand, dass ich nie herausfinden würde, ob aus uns etwas hätte werden können, der mich so traurig machte, sondern die Tatsache, dass er so jung gestorben war. Er hatte so gesund ausgesehen, so mitten im Leben, wie konnte da einfach eine Ader in seinem Gehirn platzen?
    » Es tut mir leid « , flüsterte ich und wusste nicht, ob ich seinen Tod meinte oder die Tatsache, dass ich so wütend auf ihn gewesen war. Während ich auf ihn gewartet und ihn insgeheim mit den schlimmsten Schimpfwörtern

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