Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
er einen Riesennarren an Lille gefressen, weil er keine eigenen Kinder hatte. Doro starrte auf den quadratischen Teller und sortierte verlegen die Brötchenkrümel darauf von einer Ecke in die andere.
„Na, danke. Ich habe mich von Anfang an gefragt, warum Sattmann mit der Geschichte ausgerechnet zu mir gekommen ist und nicht Kerstin mit den Recherchen beauftragt hat, wie sonst auch.“
„Weil Kerstin im Moment ganz andere Sorgen hat.“
„Was für Sorgen kann die Frau schon haben? Die hat doch alles. Ein schönes Haus, eine tolle Familie, ihr Mann hat ein gutgehendes Baugeschäft…“
Lille nahm Doros Hand, die neben ihrem Teller lag. „He, ich weiß, dass ihr euch nicht sonderlich grün seid.“
„Das liegt nicht allein an mir“, beharrte sie störrisch.
„Es geht auch nicht um Kerstin. Es geht um Nadine.“
Doro hob den Kopf und blickte Lille direkt in die Augen. Im Gegensatz zu ihrer Mutter, mochte sie die Kleine. Vielleicht deswegen, weil Kerstins Tochter sie ein wenig an sie selbst in jungen Jahren erinnerte. Auch Nadine war eine ausgesprochen talentierte Reiterin und Doro traf sie fast jedes Mal, wenn sie ihren Ziehvater, Eric, in seinem Reitstall besuchte.
„Was ist mit Nadine?“, fragte sie.
Lille goss den letzten Rest Kaffee aus dem Kännchen in ihre Tasse. „Das weiß niemand so genau. Der Arzt vermutet, dass sie an einer Art Depression leidet. Das hängt wohl mit der Pubertät zusammen. Es hat vor einigen Wochen angefangen. Sie wurde immer stiller und lustloser. Jetzt ist es manchmal so schlimm, dass sie sich in ihrem Zimmer einsperrt. Kerstin weiß einfach nicht, wie sie ihrer Tochter helfen kann und steht selbst die meiste Zeit neben sich. Deshalb hat Sattmann sie beurlaubt und dich mit der Maar-Geschichte beauftragt.“ Lille reckte plötzlich den Hals und blickte beobachtend in den Verkaufsraum.
„Wenn man vom Teufel spricht“, sie zeigte mit einer Kopfbewegung in Richtung Theke, „Da steht übrigens dein Mister Smart und kauft sich was Süßes.“
Doros Kopf schnellte herum. Alexander legte gerade das Geld in die Plastikschale auf dem Tresen. Er nahm die Papiertüte mit seinem Einkauf entgegen. Sein Gesicht drehte sich in ihre Richtung und ihre Blicke trafen sich. Sie lächelte, war schon im Begriff die Hand zu heben, um ihn herzuwinken, als sie erkennen musste, dass Alexander keine Anstalten machte, ihren Gruß zu erwidern. Sein stechender Blick schien sie einen qualvoll langen Moment zu durchbohren, bevor er wortlos das Geschäft verließ und wenig später in einem Pulk aus Passanten verschwand. Doro wandte sich wieder Lille zu, doch ihre Fröhlichkeit war mit einem Mal verflogen.
Lille stand von ihrem Stuhl auf und nahm ihre Freundin tröstend in die Arme. „Ach Liebes, ich kann mit dir mitfühlen, aber manche Männer sind nun mal so.“
Doro nickte.
Lille löste die Umarmung und setzte sich auf den freien Stuhl neben Doro. „Mal ehrlich, hast du ernsthaft etwas anderes von ihm erwartet?“
Doro schüttelte vage den Kopf. „Du glaubst nicht, dass er mir die Unterlagen bringt, oder?“
„Wahrscheinlich nicht.“
„Dann kann ich mir einen halbwegs anständigen Artikel abschminken.“
„Sieht ganz so aus.“
Lilles Direktheit konnte mehr als nur niederschmetternd sein; für Doro kam sie augenblicklich einer Vernichtung gleich.
„Am besten, ich schmeiß den ganzen Bettel gleich hin, dann hab ich´s wenigstens hinter mir“, murmelte sie resignierend.
Lille gab ihr einen aufmunternden Schups. „He, Kopf hoch, irgendwie bekommen wir das wieder auf die Reihe. Gib mir anderthalb Stunden Zeit, dann komme ich zu dir hoch, okay?“
Sie nickte. „Danke, Lille“, flüsterte sie.
Wenig später saß Doro in ihrem Büro. Sie klappte ihren Laptop auf und öffnete die Datei mit dem Text, den sie gestern eingetippt hatte. Alles was da stand war ausgemachterBlödsinn. Nein, es war noch schlimmer, denn ihr Artikel las sich wie ein missglückter Schulaufsatz. Sie klickte ein paar Mal auf die linke Taste ihrer Maus, dann war der ganze Text markiert. Sie drückte die Entfernen-Taste und einen Wimpernschlag später zeigte ihr Bildschirm ein erbarmungslos leeres Dokument. Der Bericht über Maar sollte das Kernstück eines Sonderteils über magische Plätze in und um Kirchbronn bilden. Doch das konnte sie nun vergessen.
Doro verfluchte Alexander Maar und den Tag ihres Reitunfalls, der sie in diese ausweglose Situation gezwungen hatte. Eine Stunde Zeit würde sie sich noch
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