Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
die sich vor der Garderobe gebildet hatte. Während sie wartete, glitt ihr Blick durch das Foyer. An einem der Stehtische stand die Lokalprominenz beisammen, die aus Bürgermeister Karl Bechtle, der örtliche Baulöwe, Jürgen Dörr, und Gärtnermeister Hans Nellinger bestand. Die drei führten ein überaus hitziges Gespräch.
„Du hättest es verhindern müssen!“, beharrte Dörr.
„Und wie?“, fragte Bechtle.
„Die Steinach-Mühle hat doch der Stadt gehört, oder?“, zischte Nellinger.
Bechtle zog ein Taschentuch aus seinem Jackett und fuhr sich damit über die schweißnasse Glatze. „Die Stadt braucht das Geld. Alles hier fällt mittlerweile zusammen. Das Hallenbad braucht ein neues Dach, die Schule neue Sportgeräte und so weiter. Was hätte ich eurer Meinung nach tun sollen?“
Dörr richtete seinen schmalen Oberkörper zu voller Größe auf.
„Und mein Golfplatzprojekt? Hätte das kein Geld in deine Stadtkasse gespült? Du hättest verdammt noch mal mit mir reden müssen, bevor du das Gelände an diesen komischen Vogel verkaufst!“
„Jürgen, sieh´s doch ein. Du hättest nie im Leben eine Golfanlage genehmigt bekommen. Der ganze Steinachgrund ist Naturschutzgebiet“, versuchte Bechtle, sich zu verteidigen.
„Wenn man die richtigen Leute kennt, bekommt man so ziemlich alles genehmigt, Karl. Das solltest du eigentlich am besten wissen.“
Nellinger, der Kleinste und Feisteste der Runde, mischte sich ein. „Mit deinem vorschnellen Verkauf an diesen Maar hast du uns alle und die gesamte Stadt um einen Haufen Geld gebracht, Bürgermeister. Das ist dir hoffentlich klar.“
„Alexander Maar hat einen verdammt guten Preis für diese Ruine gezahlt. Deutlich mehr als wir bei der derzeitigen Lage erwarten konnten“, entgegnete Bechtle.
Doro horchte auf. Seit Monaten kursierte das Gerücht, dass die alte Steinach-Mühle zum Verkauf stand. Sie nahm sich ein Herz und trat zu den Männern an den Stehtisch, auch wenn sie Hans Nellinger und Jürgen Dörr nicht sonderlich mochte. Nellinger war ein geiziger Spießer und Dörr der angeberische Ehemann ihrer Zickenkollegin Kerstin.
„Entschuldigung, habe ich das richtig verstanden?“, wandte sie sich an Bechtle, „Alexander Maar, der Historiker, hat die Steinach-Mühle gekauft? Ich…“
„Haben Sie uns etwa belauscht, Frau Bergmann?“, schnitt ihr Dörr jäh den Satz ab.
„Nein, aber Ihr Gespräch war so laut, dass ich es leider nicht überhören konnte. Und nach dem der Name Maar fiel, dachte ich…“
„Das Denken ist genau Ihr Problem, Frau Bergmann. Gehen Sie und schreiben Sie lieber wieder einen Ihrer nichtssagenden Artikel. Das können Sie doch ausgezeichnet, dann hat meine Frau wenigstens wieder einmal etwas zu Lachen“, entgegnete Dörr.
Der beißende Spott in Dörrs Worten hatte gesessen. Jürgen Dörr war bekannt dafür, dass er in jeder Hinsicht ausgesprochen verletzend sein konnte. Doro bemühte sich, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Am liebsten hätte sie ihn ein arrogantes Arschloch geheißen, doch auch Dörr war ein wichtiger Anzeigenkunde, der das Überleben der Zeitung sicherte. Sie biss die Zähne zusammen und suchte statt einer unflätigen Beschimpfung nach den richtigen Worten, um sich elegant aus der Runde zu verabschieden.
„Es reicht Jürgen“, kam ihr Karl Bechtle unerwartet zu Hilfe, „Frau Bergmann kann nichts dafür, wenn bei dir der Haussegen schief hängt. Vielleicht solltest du dich besser mal um deine Familie kümmern, als weiterhin aufgeblasenen Golfplatz-Hirngespinsten hinterher zu jagen.“
„Halt dich aus meinen Angelegenheiten raus, Karl. Bislang hat dieses Nest doch an jedem meiner Geschäfte ordentlich mitverdient. Ich bin mir sicher, du willst, dass ich auch in Zukunft meine Gewerbesteuer in Kirchbronn bezahle.“
„Mach, was du willst. Ich stehe weiterhin zu meiner Entscheidung“, entgegnete Bechtle mit einem gleichgültigen Unterton in der Stimme, dann wandte er sich an Doro: „Kommen Sie, Frau Bergmann, lassen Sie uns ein paar Schritte gehen. Frische Luft wird uns gut tun.“ Bechtle nahm sie an der Schulter und schob sie sanft in Richtung Garderobe, vor der sich die Schlange zwischenzeitlich aufgelöst hatte. Doro legte ihre Pfandmarke auf den Tresen. Während sie auf ihren Mantel wartete, drehte sie sich noch einmal zu Dörr um. Der Kerl mochte vielleicht ein Idiot sein, aber seine Tochter war es nicht.
„Herr Dörr“, sagte sie, „Das mit Nadine tut mir übrigens sehr leid.
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