Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
zärtlichen Berührungen entgegengebracht, aber ihre innere Scheue hielt sie davon ab, ihre Gefühle unbefangen zu zeigen. Alexanders Gesicht bewegte sich langsam in ihre Richtung. Sie schloss die Augen und ließ es geschehen. Sein Kuss war leidenschaftlich und intensiv. Zuerst hauchzart, fast vorsichtig, dann fordernd und begehrend. Als er seine Lippen wieder von ihrem Mund löste, legte sie ihren Kopf gegen seine Schulter. Er hielt sie in seinen Armen. Zärtliche Fingerkuppen begannen sie erneut zu streicheln und weckten Begehrlichkeiten in ihr. Alles war so denkbar einfach. Sie musste ihrer Neugierde bloß endlich freien Lauf lassen und auch ihren Händen gestatten, seinen Körper zu erforschen. Oder ihm wenigstens ein leises Zeichen geben, dass seine Lippen nicht nur ihren Mund, sondern auch jede andere Stelle ihres Körpers erobern durften. So sehr sie sich nach seiner Zärtlichkeit sehnte, sie fand nicht den Mut dazu, es ihm zu zeigen.
Nicht jetzt. Ein andermal vielleicht. Wahrscheinlich nie.
Mit dieser Erkenntnis verharrte sie in seinen Armen. Sie hoffte, dass er sie noch eine Weile halten würde, bevor sie ihn unzufrieden und maßlos enttäuscht über ihre eigene Kleinmütigkeit verlassen würde. Manchmal hasste sie sich selbst, denn sein Kuss und seine Liebkosungen hatten ihre Seele berührt.
Was bist du doch für ein erbärmlicher Feigling, Doro Bergmann, dachte sie bitter.
Kapitel 9 – Ein Abend voller Überraschungen
Als Doro am Montagmorgen das Zeitungsgebäude betrat, fühlte sie sich müde und matt und das Einzige, was ihr ein gequältes Lächeln auf die Lippen zaubern konnte, war der Gedanke daran, dass auch dieser Tag irgendwann vorbei sein würde. Sie hatte sich das ganze Wochenende über in ihrer Wohnung eingeigelt. Schlaf und Ruhe waren fromme Wünsche, denn die Vorstellung, wie es ohne den Job beim Boten für sie weitergehen sollte, hatte mit aller Gründlichkeit in ihrem Kopf gearbeitet. Zuversicht und Selbstvertrauen waren dabei genauso zu einer homogenen, ideelosen Masse geschreddert worden wie Ausweglosigkeit und Angst. Irgendwann war der Punkt erreicht, an dem sich der träge Brei aus Gedanken nicht mehr in vernünftige Bestandteile aufteilen ließ. Sie musste Alternativen in Erwägung ziehen, und sie hatte einen Krisenplan entworfen.
Lille war mit dem Sortieren der Post beschäftigt. Sie sah von ihrer Arbeit auf und begrüßte ihre Freundin mit einem aufmunternden: „Hallo, Süße, alles in Ordnung bei dir?“
Doro blieb an dem Tresen stehen. „Ja. Wie war dein Wochenende?“
„Ich war bei einem Nordic Walkingkurs. Ich wollte dich fragen, ob du nicht mitkommen willst, aber du bist nicht ans Telefon gegangen…“
„Hast du noch ein Exemplar der Samstagsausgabe?“, unterbrach Doro Lilles überschäumenden Redefluss. Ihr stand der Sinn nach allem, aber nicht nach ausschweifenden Berichten über korrektes Wandern mit zwei Stöcken, mit deren Hilfe man sich bestenfalls die Beine brach.
Lille legte die restlichen Briefe, die sie in der Hand hielt zur Seite. „Wieso fragst du?“
„Hast du eins oder nicht?“, gab sie strenger zurück, als sie beabsichtigte.
„Klar doch. Was ist bloß mit dir los, Doro?“
„Hast du dir schon mal überlegt, was du machst, wenn dich Heyder nicht übernimmt?“
Lille strich sich in einer überraschten Geste eine lockige, rote Strähne hinter das Ohr. „Nein. Bislang habe ich mir darüber noch keine Gedanken gemacht. Aber während der Saison suchen sie in den großen Hotels immer Aushilfen. Vielleicht würde ich das vorübergehend machen, bis ich was Neues hab. Warum fragst du mich das?“ Lilles Besorgnis, tatsächlich ihren Job zu verlieren, hielt sich augenscheinlich in Grenzen.
„Weil ich mir das ganze Wochenende den Kopf darüber zerbrochen habe, wie es ohne den Boten für mich weitergehen soll. Pferdewirte, werden hier in der Gegend nicht sonderlich gesucht. Und die, die nicht mehr reiten können schon gar nicht.“
„Und was hast du jetzt vor?“
Doro seufzte. „Ich habe natürlich als Erstes mit Eric gesprochen. Er wäre über etwas Unterstützung im Reitstall sogar dankbar. Aber er kann mir leider nicht annähernd das bezahlen, was ich in der Redaktion verdiene. Deshalb auch die Samstagsausgabe. Ich will mir eine günstigere Wohnung suchen.“ Lille schaute sie mit dem gleichen Unverständnis an, als versuche sie, ihrer Freundin einen Bankraub schmackhaft zu machen. „Verdammt noch mal, Lille, meine
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