Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
und versuchte, mit den Toten, Dämonen, Engeln und anderen Wesen aus der Zwischenwelt Kontakt aufzunehmen. Ich brauche nicht ausdrücklich betonen, dass auf diese Weise auch dem Betrug Tür und Tor geöffnet wurden. Das Geschäft mit dem Aberglauben war ausgesprochen einträglich und deshalb war es nicht verwunderlich, dass die meisten Medien oder Geisterbeschwörer nichts weiter als äußerst gerissene Scharlatane waren, die es exzellent verstanden, ihre Opfer mit ausgefallen Tricks hinters Licht zu führen. Und ihnen dabei das Geld aus den Taschen zu ziehen.“ Er machte eine kurze Pause. „Schmeckt dir das Huhn?“
„Es ist ausgezeichnet“, antwortete Doro. Sie musste lächeln, Alexander schien dermaßen in sein Thema vertief, dass er dabei völlig das Essen vergaß. „Und wann kommen die Beschwörungsbücher ins Spiel?“, fragte sie
„Im Zuge dieses Booms wurden viele der alten Beschwörungsbücher neu aufgelegt. Sie wurden sogar in verschiedene Sprachen übersetzt. Und je öfter die Schriften übersetzt oder kopiert wurden, desto mehr Fehler schlichen sich ein. Die allermeisten sind einfach nur antike Bücher. Interessant im Regal anzuschauen, aber ohne jeden Nutzen.“
„Und Heyders Buch?“
„Da verhält es sich etwas anders. Ein Teil von Heyders Grand Grimoire ist tatsächlich alt. Ich würde sagen, es stammt von einer frühen und außerdem sehr guten Kopie aus dem Achtzehnten Jahrhundert. Wahrscheinlich sind mit den Jahren einige Seiten verloren gegangen und später wieder ersetzt worden.“ Er wies auf den Schmortopf. „Möchtest du noch was?“
„Nein, danke. Es war lecker, aber ich bin satt. Was ist mit dir? Du hast dein Essen kaum angerührt.“
Alexander lächelte. „Das geht mir beim Kochen immer so. Wenn das Gericht fertig ist, habe ich so oft probiert, dass ich am Ende gar keinen Hunger mehr habe. Darf ich dir noch Wein eingießen?“
„Grog wäre mir lieber, wenn du noch welchen hast.“
„Bedien´ dich. Er ist in der Emailkanne auf dem Beistellherd.“
Wenig später saßen sie vor einem prasselnden Kaminfeuer, während draußen der erste richtige Herbststurm am Geäst der Bäume rüttelte und in heftigen Böen dicke Regentropfen gegen die Sprossenfenster peitschte. Heyders Beschwörungsbuch ging Doro nicht aus dem Sinn.
„Wenn Heyders Buch nur teilweise echt ist, funktioniert es dann überhaupt?“, fragte sie zögerlich, denn auf die Schnelle fiel ihr keine bessere Formulierung ein.
Alexander legte seine Arme um sie. Er zog sie nahe an seinen Körper, bis sie seine Wärme spüren konnte. Sein Gesicht lag dicht an ihrem Ohr. „Am besten stellst du dir ein Puzzle vor“, begann er leise, „Von den tausend Teilen, aus denen es besteht, hast du sechs- oder siebenhundert Stücke, die tatsächlich zu dem Puzzle gehören. Der Rest passt bloß in Form und Farbe.
Auf den ersten Blick sieht alles perfekt aus. Du wirst die Unvollständigkeit erst merken, wenn du beim Zusammensetzen der Puzzlemosaike feststellst, dass das Bild als Ganzes keinen Sinn ergibt, weil du nur partiell erkennen kannst, was es darstellt. So verhält es sich auch mit Heyders Exemplar des Grand Grimoire .“
Doro verstand, worauf Alexander hinaus wollte. „Aber am Ende ist es doch wertlos.“
„Nein. Es ist nur unvollständig. Aber das heißt nicht, dass die Beschwörungsformeln auf den Originalseiten keine Wirkung haben. Bis zu einem gewissen Grad, werden sie funktionieren. Einfach ausgedrückt, Heyders Ausgabe des Grand Grimoire besitzt lediglich nicht dieselbe Macht, die ein vollständiges Exemplar hätte.“
Eine kräftige Windböe riss an der Verankerung der Klappläden und brachte die Glasscheiben der Fenster zum Erzittern. Sie schmiegte sich fester an ihn.
„Woher weißt du, dass es sich bei Heyders Exemplar nicht doch um ein Original handelt?“
„Weil ich dieses Buch in- und auswendig kenne.“
„Darf ich es einmal sehen?“
„Wie kommst du darauf, dass sich das Original bei mir befindet?“
Doro drehte sich zu ihm um und setzte ein Lächeln auf, von dem sie hoffte, dass es beiläufig und nicht ertappt wirkte. „Du und Heyder, ihr habt bei meinem ersten Besuch über deine Sammlung gesprochen.“
„Wenn du dich daran erinnerst, dann erinnerst du dich bestimmt auch noch an meine Antwort. Sie lautete: Nein. Das ist mein Grundsatz. Ich gewähre keiner Menschenseele Einblick in meine Sammlung.“ Er nahm ihr Gesicht zwischen seine weichen, feingliederigen Hände. „Nicht einmal so
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