Dämonendämmerung - Die Auserwählte (German Edition)
sich in ein Geschöpf der Halbwelt verwandelt. Gelal starrte verblüfft in das gelbe Augenpaar, das aus dem schwarzen, ziegenköpfigen Gesicht hervorstach.
„Erkennst du mich, mein Fürst?“, fragte der Angreifer.
Und ob er ihn erkannte. Angarath . Mehr als neunhundert Jahre war diese Kreatur einer seiner treuesten Diener gewesen, doch dann hatte er die Welt der Dämonen verraten. Ein unwilliges Fauchen war die einzige Lautäußerung, die Gelals zusammengepresste Kehle im Augenblick zuließ. Die Klaue um seinen Hals war unangenehm, aber sie brachte ihn nicht um.
„Ich sehe es in deinen Augen. Du rätselst, wie es sein kann. Du bist erstaunt, dass ich wieder in der Lage bin, meine wahre Gestalt anzunehmen“, höhnte der Angreifer.
In der Tat. Der oberste Rat der Dämonen hatte Angarath verbannt und ihn mit der schändlichsten Strafe belegt, die seine Welt zu bieten hatte. Sie hatten ihm die Fähigkeit genommen, einer der ihren zu sein und ihn dazu verflucht, ein bedeutungsloses Leben zwischen den Sterblichen zu führen.
Angarath fuhr fort: „Das liegt daran, dass die Macht der Zweiundsiebzig längst nicht mehr so unantastbar ist, wie ihr alle glaubt. Auch die Menschen haben die Fähigkeit entwickelt, an ihren Visionen zu wachsen. Visionen, die mittlerweile umfassend und mächtig genug sind, alles Dagewesene in Frage zu stellen.“
Angaraths Stimme wurde leiser und dünner. Für menschliche Ohren war die Veränderung kaum wahrnehmbar, aber für Gelal bedeutete sie das sichere Zeichen, dass die dämonischen Kräfte seines Gegners schwanden. Die Zeit war gekommen, dieses lächerliche Schauspiel zu beenden. Gelal richtete sich zu voller Größe auf. Das Schütteln seines mächtigen Hauptes reichte aus, um den Griff um seinen Hals zu lösen. Er spürte den leichten Widerstand, als sein Gehörn gegen Angaraths Arm prallte und diesen wie Papier durch die Luft wirbelte. Einen kurzen Moment war sein Gegner wehrlos. Gelals Krallen gruben sich tief in die feindlichen Schultern vor ihm. Mit Leichtigkeit stieß er seinen Angreifer fort. Angarath taumelte rückwärts. Die Wand in seinem Rücken verhinderte, dass er stürzte. Gelal trat an Angarath heran. Sein Gegenspieler war verletzt. Nicht schwer, aber jeder Tropfen Blut, den ein Incubus verlor, kostete ihn einen Teil seiner Lebenskraft. Gelals linke Klaue stützte das kraftlos herabgesenkte Kinn seines Widersachers. Er hob es an, bis dieser ihm ins Gesicht sehen musste. Sein Feind wirkte müde.
Gelal grinste böse. „Hast du wirklich geglaubt, du bist deinem Gebieter ebenbürtig? Du bist ein Narr, Angarath.“ Seine Hand glitt nach hinten in Angaraths Nacken. Er legte seine Wange an die seines Gegners und flüsterte: „Ich habe dich geliebt, ich habe dir vertraut, du hast zu meinem inneren Kreis gehört, wieso warst du so töricht?“ Gelal wartete vergebens auf eine Reaktion. Angarath sank immer weiter in sich zusammen. Die stechend gelben Augen waren geschlossen und sein Atem ging stockend. Sein Leben würde nicht mehr lange dauern. Auch wenn das Schicksal sie zu erbitterten Gegner gemacht hatte, sollte er nicht unnötig leiden. Gelal setzte an, um ihm eine seiner dolchartigen Krallen ins Herz zu stoßen. Zu spät bemerkte er, dass sich auf Angaraths Schultern im Zwielicht dunkel glänzende Krusten gebildet hatten. Die Wunden seines Gegners fingen bereits an, sich zu schließen. Gelal zögerte. Anstatt selbst zuzustoßen spürte er nun, wie messerscharfe Krallen über seinen Leib fuhren. Er stolperte rückwärts. Ungläubig blickte er an sich hinab. Quer über seinen Oberkörper zogen sich blutende Spuren. Sie schwächten ihn, doch so lange sein Herz unversehrt blieb, war sein Körper in der Lage, jede erdenkliche Wunde zu heilen.
Ein verärgertes Fauchen entwich Gelals Kehle. Er war auf den ältesten Trick der Welt hereingefallen und auf einen überaus menschlichen noch dazu. Er wich einen Schritt zurück, um Zeit zu gewinnen. „Warum bist du zurückgekehrt?“, fragte er.
„Ihretwegen.“
„Das junge Mädchen? Wo steckt sie überhaupt?“
„Ich meine nicht die Kleine, an deren Gefühle du dich so gern bereicherst.“
Gelal befühlte beiläufig die Kratzer auf seinem Leib. Sie bluteten noch immer. „Wen dann?“
„Komm schon, du enttäuschst mich. Der große Incubus hat keinen Schimmer, dass seine Auserwählte meine Tochter ist?“
Er spürte eineleichte Benommenheit, die sich durch den Blutverlust in seinem Kopf ausbreitete. „Doch“, entgegnete
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