Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)
Schule.
„Ich bin Sariel“, murmelte sie und heftete ihren Blick auf das Schwarze Brett. Seine Aufmerksamkeit war ihr unangenehm. Sie war es nicht mehr gewöhnt, sich mit Gleichaltrigen zu unterhalten, zu flirten . In den letzten zwei Jahren hatte sie wie eine Einsiedlerin gelebt. Ihr Onkel schickte sie auf ein Schweizer Internat. Die Ferien verbrachte sie zwar bei ihm in Hamburg, aber sie kannte dort niemanden. Auch in dem Internat hatte sie sich von ihren Mitschülerinnen distanziert. Anfangs weil sie zu sehr in ihrer Trauer gefangen war und später weil sie nichts mit den verwöhnten Mädchen anzufangen wusste, die nur über Designerkleidung und Jungs redeten.
„Sariel. Schöner Name.“ Mirko grinste. „Und hey, das soll keine blöde Anmache sein. Es ist ein schöner Name. Hast du Lust, einen Kaffee trinken zu gehen?“
„Nein, tut mir leid. Ich habe keine Zeit.“ Sie deutete auf die Zettel, die an dem Schwarzen Brett hingen. Es waren so viele, dass sie teilweise übereinander gesteckt waren. Von dem „Brett“ selbst war nichts mehr zu sehen. „Ich suche ein Zimmer.“
„Vielleicht ein anderes Mal?“
„Ja, gerne.“ Sariel lächelte, erleichtert darüber, dass er nicht sauer zu sein schien, weil sie seine Einladung abgelehnt hatte. Sie war noch nicht so weit, sich auf ein Treffen einzulassen, aber das würde sich ändern. Spätestens bei Semesterbeginn würde sie so sein wie alle anderen.
„Das mit der Zimmersuche wird frustrierend. Das kann ich dir gleich sagen. Du glaubst gar nicht, welche Löcher als Palast angepriesen werden. Also, lass dich nicht entmutigen. Man braucht Zeit und Geduld, um etwas halbwegs Anständiges zu finden.“ Mit dieser Prophezeiung drehte sich Mirko um, winkte ihr noch einmal zu und verschwand im Pulk der Studenten, die der Cafeteria zustrebten.
Trotz seiner Worte musterte Sariel das unübersichtliche Chaos an Angeboten und Nachfragen mit einem Gefühl, das sie am ehesten als freudige Erwartung beschrieben hätte. Sie konnte es kaum erwarten, ihr neues Leben zu beginnen. Unabhängig zu sein und sich auf das zu konzentrieren, was ihr am Herzen lag.
Ihr Vater war ein begeisterter Schatzgräber gewesen. Dank seines Vermögens konnte er es sich leisten aufwendige Expeditionen zu finanzieren und an allen Orten der Welt nach verlorenen Schätzen zu suchen. Dabei interessierte ihn nicht nur der Wert der Gegenstände, sondern mehr noch die Kunstschätze, die er zu finden hoffte. Seine Liebe für diese Artifakte übertrug sich auf Sariel. An der Sorbonne zu studieren, war schon immer ihr Traum gewesen.
Glücklicherweise beherrschte sie dank ihrer vielen Auslandsaufenthalte nicht nur Deutsch und Englisch perfekt, sondern auch Spanisch und Französisch. Die Sprache war demnach kein Problem, als sie die Zettel durchging, die von Wohnungen und WG-Zimmern bis hin zu Fahrrädern alles anpriesen, was ein Student brauchen konnte.
Nach einer Weile fand sie fünf Anzeigen, die vielversprechend klangen. Die Suche konnte beginnen.
Vier Stunden später war nicht viel von ihrer Anfangsbegeisterung übrig. Die Wohnungen, die sie bisher gesehen hatte, waren furchtbar. Ein Apartment lag zwar im Quartier Latin , aber in einem der heruntergekommenen Viertel des berühmten Stadtteils. Die Graffiti im Hausflur hätten sie warnen sollen, aber sie war trotzdem bis in den fünften Stock hinaufgestiegen, um sich das Zimmer anzusehen. Die Wohnungstür hing schief in den Angeln, die Wände waren so dünn, dass sie die Unterhaltung ihrer Nachbarn mühelos mithören konnte, und das Badezimmer war nichts weiter als ein dunkles Loch, in dem eine schmutzige Toilettenschüssel und ein kleines, ebenso verdrecktes Waschbecken zu finden waren. Eine Dusche oder Badewanne gab es nicht, ebenso wenig eine Küche. Zwei Kochplatten, die auf einem wackligen Kühlschrank standen, reichten nach Meinung des Vermieters.
Die anderen drei Zimmer waren nicht besser, sondern Variationen des gleichen Themas. Mit gerunzelter Stirn betrachtete Sariel den letzten Zettel. Klein und bunt strahlte das Papier Optimismus aus. Eine Emotion, die Sariel nicht teilen konnte. Nach allem, was sie bisher gesehen hatte, war dies nur ein weiteres verheißungsvolles Angebot, das sich als Fiasko erweisen würde.
Mitbewohnerin gesucht. Die Anzeige versprach ein zwanzig Quadratmeter großes Zimmer, ebenfalls im Quartier Latin . Die Miete war astronomisch.
„Es ist perfekt!“ Sariel drehte sich um und betrachtete noch einmal
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