Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)
sie bei Weitem nicht so viel.“ Tim stand auf. „Und nun weg mit dir. Deine Hausaufgabe für heute Abend steht fest. Vorausgesetzt du kannst deine Augen lange genug offen halten.“
„Du bist gut, aber nicht gut genug“, stellte Saraswati fest. Die Inderin hatte recht. Mit ihrem Knie fixierte sie Sariel auf dem Boden, während ihre Handfläche leicht über einen der empfindlichen Druckpunkte streifte, deren Berührung den Tod herbeiführen konnte.
„Meisterin. Hab dank für diese Lektion“, murmelte Sariel, nachdem Saraswati sie aus ihrer Position entlassen hatte, und unterdrückte ein Stöhnen, als sie sich vom Boden aufrappelte. Saraswati war als Lehrmeisterin unerbittlich. Das Konditionstraining, das sie Sariel stets zu Beginn der Unterrichtsstunde absolvieren ließ, wurde von Tag zu Tag härter. Mittlerweile kannte Sariel jeden Muskel ihres Körpers. Und jeder dankte es ihr mit Schmerzen.
„Alexander hat es bisher versäumt, dir das Wichtigste beizubringen.“ Saraswati schüttelte den Kopf und fixierte einen Punkt, der hinter Sariel zu liegen schien. Das war keine Unhöflichkeit wie Sariel mittlerweile wusste, sondern eine Vorsichtsmaßnahme. Die Dämonin konnte mit ihren Blicken töten. Vor allem dann, wenn sie mitten im Training waren.
„Ich verstehe nicht, warum er es nicht längst getan hat. Aber nun ist es an mir, dich einzuweihen.“ Mit einem tiefen Atemzug löste sie ihren Blick und sah Sariel direkt an. „Du weißt bereits, dass die Philosophie des Kalaripayat auf Liebe begründet ist. Deinen Feind zu lieben und ihm zu vergeben, ist weitaus wichtiger, als einen Kampf zu gewinnen. Wenn wir trainieren, hast du jedoch nur ein Ziel: zu lernen, wie du einen imaginären Gegner vernichten kannst. In einem richtigen Kampf geht es aber nach der Lehre des Kalaripayat nicht darum, zu gewinnen. Stattdessen solltest du dich auf die Tatsache konzentrieren, dass es nichts zu verlieren und nichts zu gewinnen gibt. Meditiere darüber!“ Ohne ein weiteres Wort löste sich Saraswati auf.
Sariel stieß die Luft aus, die sie ohne es zu wissen, angehalten hatte. „Prima“, murmelte sie. „Ich trainiere, um einen imaginären Gegner zu töten, wenn ich ihm aber gegenüberstehe, gibt es nichts zu gewinnen? Könnte es nicht noch widersprüchlicher sein?“ Ihre Worte verhallten in der leeren Halle. Seufzend tat sie es Saraswati nach und löste sich auf.
29
Ihre Absätze klapperten in lautem Stakkato über das Kopfsteinpflaster. Sie war müde und wollte so schnell wie möglich nach Hause. Hier irgendwo musste die U-Bahn Station sein, die sie suchte. Sie hätte sich auflösen sollen, dann läge sie längst im Bett und könnte den Schlaf nachholen, den sie brauchte, um Saraswatis Training zu überstehen. Stattdessen blieb sie ihrer Absicht treu, sich in Paris nicht anders als ihre Kommilitonen zu verhalten.
Vielleicht sollte ich von diesem Vorsatz abrücken. Nur dieses eine Mal! Dann aber müsste sie zugeben, anders zu sein. Sariel lachte ärgerlich. Sie konnte es sich genauso gut eingestehen. Sie war anders. Warum also so tun, als sei sie menschlich? Sie hielt an und drehte sich um, nicht weit hinter ihr schlenderte ein Pärchen langsam die Seine entlang. Auf der anderen Straßenseite kamen ihr drei Männer entgegen, deren unsichere Schritte verrieten, wie betrunken sie waren.
Sie musste weg von hier in eine der kleinen Seitenstraßen, wo niemand sähe, wenn sie sich in Rauch auflöste. Einige Meter weiter fand sie, was sie suchte. Eine Straße zweigte ab, schlängelte sich um mehrere Häuserblocks, die von kleinen Gassen durchschnitten wurden. Mehrere Gässchen später befand sie sich auf einer mit altem Gerümpel zugemüllten Wiese, einsam und verlassen von einer heruntergekommen Mauer eingegrenzt. Irgendwann würde hier ein weiteres Mehrfamilienhaus entstehen, jetzt aber war der Ort ideal, um den einfachen Weg nach Hause zu nehmen.
In dem Moment, in dem sie sich auf das Aussehen ihres Zimmers in Michelles Wohnung konzentrieren wollte, hörte sie Schritte, die näher kamen. Dann wurde die Stille von betrunkenem Grölen zerstört.
„Hey, schau was wir gefunden haben!“ Der Ausruf wurde von Gelächter begleitet. Sariel drehte sich langsam um. Drei Gestalten wankten auf sie zu. Die Männer, die ihr vor wenigen Minuten noch an der Seine entgegen gekommen waren. Sie mussten ihr gefolgt sein. Warum hatte sie sie nicht gehört?
„Nett, dass du auf uns wartest, Süße.“ Die drei Betrunkenen
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