Dämonenfluch (Gesamtausgabe) (German Edition)
über Fähigkeiten, von denen ein Mensch nur träumen konnte. Bisher war sie die meiste Zeit damit beschäftigt gewesen sich einzureden, sie wäre so wie alle anderen.
„Ich bin eine Halbdämonin!“ Ohne es zu wollen, sprach sie die Worte laut aus. Tamiro blieb stehen und warf einen Blick über seine Schulter zu ihr. Dann schaute er wieder nach vorne und ging weiter. Auch ohne Worte bestärkte er sie so darin, ihr wahres Wesen endlich anzunehmen, anstatt sich dagegen aufzulehnen.
Warum auch nicht? Ich bin noch immer Sariel. Nur eben eine andere, als ich bisher dachte. Eine schlauere, schnellere und stärkere Sariel. Was soll daran schlimm sein?
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Zum ersten Mal seit Alexander ihr gesagt hatte, was sie war, freute sie sich über ihre Andersartigkeit. Sie konnte es nicht nur akzeptieren, sondern auch die Fähigkeiten anerkennen, die damit einhergingen. Und dann war da noch ihre Neugier. Es gab noch so vieles zu erfahren und zu ergründen. Wer weiß, über welche Talente ich noch verfüge?
Es kam Sariel vor, als wären sie erst losgegangen, da blieb Tamiro schon vor dem goldenen Stern stehen und deutete auf den Türklopfer. Wieder öffnete ihnen der Zwerg Dinarek.
„Oh, Ihr seid zurück? Wie schön. Wünscht Ihr zu speisen?“, fragte Dinarek und trat zurück, um sie und Tamiro hereinzulassen.
„Danke. Später vielleicht“, murmelte Sariel. Der Gedanke an den vergifteten Wein hielt sie davon ab, Dinareks Angebot anzunehmen. Jazni hatte zwar gesagt, ihr würde im goldenen Stern nichts mehr geschehen, aber sie war nicht sicher, ob sie dieser Aussage trauen konnte.
Gemeinsam mit dem Panther stieg sie die Stufen bis zur zweiten Etage hinauf. Vor ihrer Tür angelangt sah Sariel verlegen zu Tamiro hinab. Seit der Gestaltwandler sich ihr als attraktiver junger Mann gezeigt hatte, behagte ihr die Vorstellung, mit ihm das Zimmer zu teilen, nicht.
Als wüsste er um ihren Zwiespalt legte sich Tamiro vor der Tür auf den Boden, gähnte und legte den Kopf auf die Vorderpfoten.
„Bist du sicher, dass du hier draußen schlafen möchtest?“, fragte Sariel.
Anstatt zu antworten, schloss er die Augen.
„Ich schätze, das ist ein Ja“, sagte Sariel und betrat ihr Zimmer.
35
Am nächsten Morgen wurde Sariel durch lautes Klopfen an ihrer Tür geweckt.
„Wer ist da?“, rief sie verschlafen und rieb sich die Augen.
„Rawan, der Diener Abu Ayubs“, kam die gedämpfte Antwort.
„Augenblick.“ Noch immer verschlafen setzte sie sich auf. Was wollte der Diener Ayubs zu dieser Tageszeit von ihr? Okay, es ist zumindest hell , dachte sie, während sie sich anzog und sich das Gesicht wusch. Dann öffnete sie die Tür.
„Was wollt Ihr?“, fragte sie ohne sich mit Höflichkeitsfloskeln aufzuhalten. Bisher war der Mann nicht besonders freundlich zu ihr gewesen und die frühen Morgenstunden waren noch nie ihre beste Tageszeit gewesen.
„Ich soll Euch zu meinem Herrn geleiten.“ Rawan verbeugte sich und deutete mit einer Geste an, sie möge ihm folgen.
Warum duzt er mich nicht mehr? Die Frage wanderte ohne bewusstes Zutun durch ihren Kopf, als sie Rawan durch den Gang und die Treppen hinab folgte. Tamiro trottete an ihrer Seite. Selbst der Panther sah verschlafen aus.
„Wie spät ist es?“
„Fünf Uhr morgens“, antwortete Rawan ohne sich zu ihr umzusehen.
„Toll. Was ist so dringend, dass ich um diese Zeit geweckt werde?“
„Der Rat der Sechs ist zusammengekommen und wird Euch anhören.“
„Zu dieser Tageszeit?“ Rawan schwieg, aber Sariel hatte auch keine Antwort erwartet. Sie traten auf die Straße, die leer und verlassen vor ihnen lag. Wie schön! Venedig! Sariel blieb für einen Augenblick stehen und nahm das neue Bild in sich auf. Nur zwei Schritte von ihr entfernt, schlängelte sich ein Kanal dicht an den Häusern entlang. Eine Gondel schaukelte auf dem Wasser. Rawan ging darauf zu und drehte sich zu Sariel um.
„Kommt“, sagte er und streckte seine Hand aus, um ihr in das Boot zu helfen.
„Ich wünschte, sie würden die Stadt für einige Tage nicht verändern“, sagte Sariel. „Sie ist so wunderschön heute.“
Rawan sah sich mit einem Gesichtsausdruck um, als bemerke er erst jetzt seine Umgebung. Dann zuckte er mit den Schultern. „Unwahrscheinlich“, sagte er. Dann setzte er sich hinter Sariel auf die zweite Sitzbank. Tamiro ließ sich zu ihren Füßen nieder und der Gondoliere stieß vom Kai ab. Wie in einem Traum glitten
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