DÄMONENHASS
Das Einzige, was ihm dabei Sorgen bereitete, war sein deutlicher Eindruck am Schluss, dass sie das Grauen, vor dem sie sich so sehr fürchteten, mit ihm in Verbindung brachten!
Zuletzt war auch noch der Name gefallen, geflüstert von Abertausend vertrockneten oder schon lange zu Staub zerfallenen Zungen, der gleichbedeutend mit einem unermesslichen Schrecken war: Wamphyri!
Aber wie konnte das sein? Warum fürchteten die zahllosen, seit Langem verfallenen Toten die Wamphyri, die doch selbst schon lange tot und auf ewig verschwunden waren?
Nathan wusste, dass er hier keine Antwort darauf finden würde, nun da die Toten in Schweigen verfallen waren. Also überließ er sie ihren geflüsterten Unterhaltungen und erhob sich aus seinen Träumen, um die Antwort anderweitig zu erfahren ...
... und stieg aus dem Traum in einen Albtraum auf! Mit einem Schlag kehrte die Erinnerung an die jüngsten Ereignisse in allen Einzelheiten zurück und nur die Antwort auf eine einzige Frage fehlte ihm: Was war hier geschehen? Doch schon während seiner ersten wachen Augenblicke erkannte Nathan, dass er die Antwort bereits besaß, denn die Toten hatten sie ihm genannt.
Diese Tatsache wurde auf grässliche Weise untermauert durch den fremdartigen Gestank, den die Krieger ausstießen, den Schutt und die Trümmer, zwischen denen Nathan lag, die fernen Schreie der Toten und Sterbenden und andere Laute, die man nur als ... unmenschliches Gelächter deuten konnte. Falls nicht seine Fantasie ihm etwas vorgaukelte und Nathan plötzlich wahnsinnig geworden war, konnte all dies nur eines bedeuten. Die Wamphyri waren zurückgekehrt! Sie waren sogar hier in Siedeldorf!
Dies wiederum warf weitere Fragen auf: Wie lange war er ohne Bewusstsein gewesen? Vermutlich nur wenige Minuten, kaum mehr als fünf. Und was war mit Misha und seiner Mutter ... und mit Nestor?
Mühsam richtete Nathan sich auf, kletterte unsicher aus den Trümmern der Scheune – und ging sofort wieder in Deckung! Denn keine fünfzig Meter zum Dorfplatz hin sah er den gewaltigen Umriss eines Kriegers, der sich gegen ein Tauschhaus warf und es in Schutt und Asche legte. Und oben am Himmel hatte ein großes, drachenförmiges Etwas die Flügel angelegt und stieß wie ein sonderbar gebildetes Blatt auf die Hauptstraße herab.
In dem Durcheinander aus Balken und Stroh zu Nathans Füßen stöhnte jemand auf. Misha!
Er zerrte an den Trümmern, schleuderte sie beiseite und starrte in Nestors zerschundenes, blutiges Gesicht. Er lag bewusstlos auf dem Rücken, zu drei Vierteln unter dem Schutt begraben. Ihn, nicht Misha, hatte Nathan stöhnen gehört. Noch während er auf ihn hinabblickte, stöhnte Nestor abermals auf. Doch dort, aus den Trümmern neben ihm, ragte ein schlanker, weißer Arm. Das musste Misha sein!
Nathan grub sie aus und versuchte, Nestor dabei nicht noch mit weiteren Trümmern zu bedecken. Er gab ihr ein paar Klapse ins Gesicht, nahm sie in die Arme, raunte ihr ihren Namen ins Ohr. Im Licht der Sterne, das durch die Rauchschwaden und den Übelkeit erregenden Brodem fiel, wirkte sie beinahe durchsichtig, staubig, bleich. Er konnte nicht sagen, ob sie noch atmete oder nicht.
In der Nähe brüllte der Wamphyri-Krieger auf, als er zur Dorfmitte vorrückte. Nathan sah sich um. Hinter dem, was vom Haus seiner Mutter übrig war, war der Palisadenzaun nach außen gedrückt. Wo die großen Holzpfähle auseinandergesprengt worden waren, klaffte nun eine große Lücke, und dahinter lag finster der Wald. Noch nie war ihm die Dunkelheit so verlockend erschienen.
Nathan wusste, was zu tun war, was er zu tun hatte: Zunächst musste er Misha in Sicherheit bringen, dann nach seiner Mutter suchen, die wahrscheinlich unter den Trümmern ihres Hauses begraben lag, schließlich ein letztes Mal zurückkommen, um Nestor zu holen.
Er hob Misha auf und stapfte torkelnd aus den Trümmern zur Lücke in der Palisade. Aber auf halbem Weg hörte er Keuchen und Pfotengetrappel und blickte zurück. Eine große Wolfsgestalt – offenbar eines der gezähmten Tiere von Siedeldorf – kam von der Hauptstraße her und hielt nun direkt auf ihn zu; offenbar suchte das Tier menschliche Gesellschaft. Gut und schön, aber Nathan hatte schon genügend Probleme damit, das Mädchen, das er liebte, und seine Familie zu retten, ohne sich auch noch Sorgen um einen ...
Nathans Augen weiteten sich. Wie es schien, war der Wolf in eine dahintreibende Nebelwolke gehüllt, und ein Vorderlauf wirkte verdickt; etwas
Weitere Kostenlose Bücher