DÄMONENHASS
legendären Wamphyri selbst gleich – zumindest nach den Maßstäben eines kleinen Jungen. Oh, wie er diesen ungehorsamen Offizier züchtigen würde, und erst die undankbare Szgany- Schlampe – wenn er sie entdeckte!
Normalerweise waren sie leicht zu finden. Er lehnte sich gegen den Wurzelstamm eines großen Baumes – stand dort völlig reglos, hielt in der oft übernatürlichen Stille des Waldes den Atem an – und wartete auf ein verräterisches Geräusch, ein verstohlenes Rascheln im Unterholz, das Knacken eines trockenen Zweiges, das verschwörerische Flüstern ihrer Stimmen. Oder wenn nicht Stimmen in der Mehrzahl, dann doch zumindest eine Stimme: die von Misha. Denn Nathan konnte oder wollte natürlich nicht sprechen, ohne zu sabbern und zu stottern wie ein Dummkopf. Daher war es Misha, die ihn anführte und das Flüstern besorgte, das Planen, das ... Betrügen?
Genau! Das war es! Betrügen! Spielverderberei. Denn mittlerweile hätte Nestor sie finden sollen, hätte sie gezüchtigt und losgeschickt, damit sie zur Strafe für ihn Nüsse und Beeren pflückten. Mit finsterer Miene hätte er breitbeinig bei ihnen gestanden, während sie den Korb seiner Mutter füllten. Das war der eigentliche Grund, weswegen sie sich überhaupt hier draußen aufhielten: um Nana Kiklus Korb mit wilden Früchten und Nüssen zu füllen. Nur war es stets eine gute Idee gewesen, die Arbeit in ein Spiel zu verwandeln.
Und jetzt rief er in den grünen Dunst, der ihn umgab:
»Nathaaan! ... Mish-aaa!« ... und wartete auf ihre Antwort.
Hah! Da konnte er lange warten!
Also blieb nur eines übrig, die eine unfehlbare Methode. Nestor wendete sie nicht gerne an, denn sie kam ihm wie ein Eindringen vor. Wie damals, als er im hohen Gras der Vorhügel auf ein Liebespaar gestoßen war und ihnen bei ihrem Spiel zugesehen hatte. Er hatte es nie vergessen, lauter nackte Hinterteile und stoßende, zuckende Körper. Hatte wohl auch wehgetan, so wie es sich anhörte. Wenn das Liebe war, dann konnten die Großen sie gerne behalten! Doch zugleich hatte er auch gewusst, dass es nicht recht war, ihnen zuzusehen ... Was auch der junge Mann gewusst hatte, als es vorbei war und er endlich den Spanner bemerkte! Das war eine wilde Verfolgungsjagd gewesen. Nestor hatte von Glück sagen können, dass er ungeschoren davongekommen war.
Er wusste, dass das nicht dasselbe war, aber es war etwas Ähnliches, und er und sein Bruder hatten die ungeschriebene Regel, es niemals anzuwenden. Selbst die noch sehr Jungen haben Dinge, die sie lieber geheim und ganz für sich behalten möchten. Besonders ihre Gedanken ...
Aber andererseits: Schlich Nathan sich nicht auch in seine Träume?
Natürlich würde Nathan wissen, was er getan hatte. Er würde ihn in seinen Gedanken spüren und sie ihm wie eine Tür vor der Nase zuschlagen. Ach, aber wenn er und Misha das Spiel so wie vorgesehen gespielt hätten, müsste Nestor es nicht tun, nicht wahr?
Er ließ sich mit dem Rücken gegen einen moosigen Stamm nieder, schloss die Augen und ließ seinen Geist schweifen. Irgendwo da draußen verbargen Misha und Nathan sich vor ihm. Irgendwo in den tiefen Wäldern, die die drei so gut kannten, kauerten sein Bruder ... nein, zitterten sein »Offizier« und die Szgany-Sklavin Misha vor Grauen und verkrochen sich in den grünen Weiten des Waldes. Aber als Wamphyri konnte Nestor sie riechen! Er konnte seine Sinne erweitern oder einen Vampirnebel ausstoßen und es spüren, wenn die leckenden Schwaden ihre bebenden Körper berührten! Er konnte von Weitem seinen Geistesblick auf sie legen und sehen, wo sie sich verkrochen hatten! Und wenn er auch nur den kleinsten Blick auf ihre Umgebung erhaschen konnte, würde er ihren Schlupfwinkel sofort erkennen!
So schweiften seine Gedanken umher, bis sie schließlich auf die von Nathan trafen. Es war nicht einfach und wäre noch schwieriger gewesen, wäre sein Bruder nicht abgelenkt gewesen, wäre er in sich gekehrt, wie es seine Gewohnheit war. Doch diesmal waren seine Gedanken nicht verschwommen: Sein Verstand war klar wie selten und konzentrierte sich auf etwas, das mit Nestor und dem Spiel nichts zu tun hatte. Tatsächlich konzentrierte er sich auf Misha ...
... Misha, die nackt in einem flachen Gewässer schwamm, dessen Oberfläche vom Sonnenlicht gesprenkelt wurde, Misha, so schlank und beweglich wie ein Fisch und ebenso unschuldig. Misha, die unter dem Sonnenlicht auf ihrer braunen Elfenhaut silbern und golden funkelte, lachte, während
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