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DÄMONENHASS

DÄMONENHASS

Titel: DÄMONENHASS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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Vater doch ein Wolf gewesen!
    Das war alles so rätselhaft und verwirrend. Aber so verhielt es sich oft mit Nathans Träumen. Einige Dinge erschienen ihm so wirklich und fest wie der Boden unter seinen Füßen, während andere so vage und flüchtig waren wie Wellengekräusel auf einem Teich oder der Frost auf den hohen Gipfeln vor Tagesanbruch. An manche Dinge erinnerte er sich, andere vergaß er nur zu gerne, meistens, weil er sie nicht verstand. Seiner Ansicht nach war es das Beste, wenn man sich an das hielt, was man verstand, und sich nicht mit Hirngespinsten abgab.
    Das war ein Fehler, doch Irren war nun mal menschlich, vor allem, wenn man so unter Druck stand wie Nathan ...
    In den Stunden nach Tagesanbruch stellte Nathan sich, während er nach Zwiefurt wanderte, immer wieder dieselbe Frage: Warum sollten sie wohl meine Mutter rauben?
    Er hätte es verstanden – und sich selbst für dieses Verständnis verabscheut –, wenn man sie geschändet, vampirisiert oder auch bloß abgeschlachtet hätte. Schließlich war es vielen anderen so ergangen. Aber geraubt? Nana Kiklu war kein junges Mädchen mehr. Andererseits war sie eine warmherzige und schöne Frau. Zumindest hatten ihre Söhne sie immer so gesehen – und dies völlig unvoreingenommen, besonders Nathan.
    Aber ... verschleppten die Wamphyri die Menschen denn wahllos? Kümmerte sie menschliches Leben so wenig, dass sie einfach alles und jeden raubten, schändeten, benutzten oder verschleuderten? Vielleicht war dies tatsächlich der Fall.
    Oder folgten auch sie nur einem einfachen Regelwerk: Blut ist Blut, und Fleisch ist bloß Fleisch. Wenn ein Jäger Hunger hat, schert er sich dann darum, dass das Kaninchen, das er erlegt, eine schöne Fellzeichnung hat? Ist es ihm wirklich wichtig, ob es über die besten Jahre schon hinaus ist? Und was ist mit einem Schuster? Welchen Unterschied macht es für ihn, welches Tier das Leder für seine Sandalen liefert, solange es biegsam und widerstandsfähig ist?
    Andererseits waren die Wamphyri ehemals Menschen gewesen, und die ›Tiere‹, auf die sie Jagd machten, waren ebenfalls Menschen – Männer und Frauen! Sie jagten also nicht nur, um Fleisch zu bekommen oder auch Nachschub, um daraus ihre monströsen untoten Kreaturen zu machen, sondern auch aus ... anderen Gründen. Es ging Nathan nicht aus dem Kopf, und er fragte sich, ob Nana dasselbe Schicksal ereilt hatte wie Misha Zanesti. Falls Nana geraubt worden war.
    Und wenn nicht? Was war dann mit seiner Mutter geschehen, und wo war sie jetzt?
    Nathan hatte gesehen, wie eine ungeheure, schwer gepanzerte Kampfkreatur eine Spur der Verwüstung durch die Straßen von Siedeldorf gezogen hatte, und er wusste, dass die Streitbestien der Wamphyri Fleischfresser waren, auf ihre Art ebenfalls Vampire. Vielleicht war das die Antwort. Schrecklich, zugegeben, aber wenigstens ging es schnell. Konnte es sein, dass das Ungeheuer, das ihr Heim zum Einsturz gebracht hatte, auch mit seiner Mutter davongeflogen war? Wenn das zutraf, wäre sie sofort tot gewesen. Aber es gab keine Spur von ihr, nichts, nicht einmal, wie Nathan schaudernd in Erwägung zog, eine Blutlache.
    Das traf auch auf Mishas Fall zu, nur mit der Ausnahme, dass das Bild, das Vratza Wransknecht ihm mit voller Absicht so grausam ausgemalt hatte, immer noch brennend durch Nathans lebhafte Vorstellungskraft geisterte. Canker Canisohns schlabbrige Hundestimme hallte durch die Korridore seines Gedächtnisses, und er befürchtete das Schlimmste! Obwohl er sich selbst für diesen Gedanken hasste, konnte er ihr doch nur den Tod wünschen.
    Während er über einen alten Pfad der Wanderer einherschritt, schweiften seine Gedanken ein oder zwei Stunden zurück, als er und Lardis vom Haus auf dem Hang nach Siedeldorf hinabgestiegen waren. Lardis’ alte Kampfgefährten hatten ihn dort erwartet, und sämtliche Bürger von Siedeldorf – diejenigen, die noch verblieben waren – hatten sich auf dem zentralen Versammlungsplatz eingefunden, um zu hören, was er zu sagen hatte. Lardis’ Worte waren einfach, treffend und für ihn ganz und gar typisch gewesen:
    »Alles ist wieder so wie vor zwanzig Jahren«, hatte er gesagt. »Die Wamphyri sind wieder da, und wir sind ihre Jagdbeute, ihre Nahrung, ihr Zuchtvieh. Die Dörfer werden bald zerfallen, und die Szgany werden sich in alle Winde verstreuen und sich in kleinen Gruppen über die gesamte Länge und Breite der Sonnseite verteilen. So jedenfalls hätten sie, die Wamphyri, es gerne.

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