DÄMONENHASS
Canker Canisohn, der den Mond ansingt und wie ein Hund oder Fuchs umherspringt, aber aufrecht auf zwei Beinen ...«
Ein erstickter Aufschrei – halb Keuchen, halb Ausruf – drang aus den zuckenden Schatten außerhalb des Feuerscheins, und Nathan Kiklu stolperte in den Lichtkreis, ohne den starren Blick von der schrecklichen und doch tragischen Gestalt am Kreuz zu nehmen.
Nathan hatte im Schatten eines umgekippten Karrens jenseits des schwachen Scheins der Feuergrube gestanden und allen Fragen von Lardis und allen Antworten von Vratza Wransknecht gelauscht. Er hatte alles mitangehört. Noch bis vor einem Moment war sein Blick leer gewesen, nur ein seltsamer Ausdruck hatte in seinen Augen gelegen und das Licht der Sterne und des Feuers hatte sich darin gespiegelt. Doch plötzlich war er so aufmerksam wie noch nie. Er trat vor, blieb neben Lardis stehen und warf einen unbarmherzigen Blick auf das elende Geschöpf am Kreuz.
»Was war das?«, sagte er. Seine klare, jugendliche Stimme durchschnitt die raue Nacht wie ein Messer. »Was hast du da von einem Wesen gesagt, das wie ein Hund oder Fuchs umherspringt? Canker Canisohn hast du ihn genannt?«
Der Vampir neigte den gewaltigen Kopf, um Nathan zu betrachten. Er erkannte ihn wieder. Nathans Gesicht war eines der ersten gewesen, auf die sein Blick gefallen war, als er vor dem Verhör das Bewusstsein wiedererlangte. Da hatte der Junge noch einen verängstigten Eindruck gemacht. Stolpernd war er so weit zurückgewichen, dass der Blick aus Vratzas blutroten Augen ihm nicht mehr folgen konnte. Jetzt war er zwar immer noch etwas unsicher auf den Beinen, aber er hatte keine Furcht mehr vor ihm.
Vratza war wahrlich tief gesunken. Sogar Kinder wagten ihn anzusehen, ohne sofort zurückzuschrecken!
Fauchend kräuselte der Vampir die fleischige Oberlippe und zeigte Nathan die gegabelte Zunge und die dolchförmigen Zähne. Doch immer noch blieb der Junge stehen. Bis der Vampir schließlich lächelte – falls man das, was er mit seinem Gesicht anstellte, als Lächeln bezeichnen konnte – und sagte: »Ich war in deinem Alter, als ich dem Tribut zugeteilt wurde. Seitdem ... bin ich einen langen Weg gegangen.« Er blickte Lardis an. »Sogar bis zum Ende.«
Lardis legte einen Arm um Nathans Schultern. »Der Bursche hat ... Er hat ein gewisses Interesse an der Angelegenheit.« Doch als er Nathan ansah, fragte er sich, ob das, was er da machte, vernünftig war.
»Ach ja?« Vratza neigte fragend den Kopf zur Seite.
Nathans linker Mundwinkel zuckte leicht. »Es ... es geht um mein Mädchen. Dieses Hundewesen, Canker, hat mich niedergeschlagen und sie mitgenommen. Seitdem ... haben wir sie noch nicht gefunden.«
»Aha!«, sagte Vratza gleichmütig. Und als gäbe es Nathan nicht, huschten seine Augen wieder zu Lardis. »Ist es damit getan? Bin ich fertig?«
Lardis nickte. Kirk Lisescu und die anderen nahmen ihre Waffen auf und traten hinter dem Kreuz hervor in den Lichtkreis.
Vratza erblickte sie, und Feuer und Blut sprangen ihm in die Augen. Er öffnete das Albtraummaul und zischte. Seine gespaltene Zunge vibrierte in der rot gerippten Höhlung seines Mundes.
»Nein, wartet!« Nathan schüttelte Lardis’ Arm ab und zeigte mit ruhiger Hand auf das Ungeheuer am Kreuz. »Ich will, dass du mir alles über Canker Canisohn und Misha sagst. Wie wird es ihr ergehen?«
»Nein!« Lardis baute sich vor Nathan auf und breitete die Arme aus, als wolle er einen Schrecken abwehren. Was auch der Fall war. »Vratza, sage ihm nichts! Deine Zeit ist gekommen.« Er warf einen Blick auf seine Männer, die bereitstanden, und nickte ihnen zu. Aber der Vampir sprach bereits – zu Nathan.
»Meine letzte Handlung«, sagte er mit einer Stimme, die wie blubbernder Teer in einem Vulkanloch klang, »auf dass deine Träume fortan nur noch darum ihre Schreckenskreise ziehen. Du fragst nach Canker? Und nach deinem Mädchen?«
»Ja.« Nathan musste es wissen. Hinter ihm hoben die Männer die Waffen und brachten sie in Anschlag.
»Canker nimmt sich Frauen nur zu einem einzigen Zweck!«, gurgelte Vratza. »Um sie zu benutzen. Und wenn er sie benutzt hat – auf jedwede Weise, die ihm zusagt –, schüttelt er sie zu Tode wie ein Wolf eine Ziege!«
»Schweig!«, brüllte Lardis.
Eine Armbrust surrte und der Bolzen traf Vratza dicht neben dem Herzen, grub sich in seine blutige, aufgerissene Brust, bis nur noch die Befiederung herausragte. Er verkrampfte sich und hustete Blut, sog die Luft ein – und redete
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