Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
DÄMONENHASS

DÄMONENHASS

Titel: DÄMONENHASS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
Vom Netzwerk:
Nathan sich umarmt, und der Junge hatte seinen kleinen Reisebeutel aufgenommen und Siedeldorf hinter sich gelassen, um den Weg nach Zwiefurt anzutreten ...
    Später erinnerte sich Nestor kaum an seinen kurzen Flug in der stinkenden Bauchtasche des verwundeten Fliegers. Selbst wenn er bei Bewusstsein geblieben wäre (was unmöglich war, denn die Ausdünstungen der Kreatur waren giftig und betäubend; es war nur einem gewaltigen Willensakt zu verdanken, dass er vor seiner Entführung überhaupt auf den Beinen geblieben war), hätte er sich doch nur an Dunkelheit und klammen Gestank erinnert und an biegsame Knochenhaken, die ihn fest in der Beutelhöhle hielten.
    Auch daran, wie die Bestie immer stärker ins Trudeln geraten war, weil sie nicht mehr die Kraft aufbrachte, hoch genug zu steigen, um die Gipfel der Berge zu überwinden, erinnerte er sich nicht. Als die Kreatur direkt über die Baumdecke flog, streifte der Bolzen, der immer noch in ihrem Körper steckte, die Wipfel und verfing sich zwischen den Ästen. Der Flieger stürzte ab und brach durch Tannenzweige und dorniges Unterholz, wo er krampfhaft zuckend auf einem bewaldeten Steilhang oberhalb Zwiefurts liegen blieb. Dabei wurde Nestor halb aus dem klaffenden Bauchschlitz geschleudert. Doch an nichts von all dem konnte er sich später erinnern.
    Das Wunder bestand darin, dass er diese Strapazen überlebt hatte ... Vielleicht war es auch gar nicht so verwunderlich. Immerhin bestand der Flieger aus dem Gewebe der Vampire, Nestor hatte seine Körperausdünstungen eingeatmet, und die Fettabsonderungen des Fangbeutels waren in seine zahlreichen Schürfwunden und Schnitte gelangt. Sie reichten zwar nicht aus, ihn zu verwandeln, unterstützten jedoch seine Heilung. Dies, seine Jugend, seine gute körperliche Verfassung und sein Überlebenswille verbanden sich und halfen ihm, den Absturz zu überstehen.
    Doch die Heilung benötigte Zeit, und das größte Heilmittel war der Schlaf. Nestor schlief am Waldhang über dem verwüsteten Dorf Zwiefurt, wo die zuckenden, reinigenden Flammen der Totenfeuer die Nacht erhellten und, wie in Siedeldorf, hohläugige Menschen durch den Schrecken und das Chaos stolperten, die Wrathas Überfall hinterlassen hatte. Es war der Schlaf der Erschöpfung, des schweren körperlichen Schadens, der Schlaf, zu dem auch die Gifte beitrugen, die ihn einerseits betäubten und andererseits seine beschädigten Körperfunktionen stützten und wiederherstellten. Es war ein heilsamer Schlaf, zumindest was seinen Körper betraf ...
    Vielleicht hätte die Kälte ihn dennoch getötet. Aber der groteske Flieger war immer noch eben so am Leben, sein Leib war immer noch warm, und aus dem zuckenden Beutelschlitz ragten nur Nestors Kopf, seine Schultern und ein baumelnder Arm. Der Rest seines Körpers war noch immer ›ungeboren‹ in einem abartig gebildeten Schoß aus Knorpel und bebendem, fühllosem Fleisch. Die ganze Nacht hindurch tropften Körperflüssigkeiten und Lebenskraft des Wesens auf den lehmigen Boden, und was noch an Wärme in der Kreatur war, reichte Nestor zum Überleben.
    Er durchschlief die längste Nacht seines Lebens, erwachte wenige Stunden vor dem Morgengrauen, wand sich zappelnd aus dem Fangbeutel des Fliegers, stürzte die letzten paar Zentimeter zur Erde hinab und landete auf einer weichen Unterlage aus Moos und faulendem Blattwerk. Über ihm hing der zerschmetterte Leib der Kreatur an gesplitterten Tannenstümpfen und bildete ein durchhängendes, rhombenförmiges Dach. Lange blieb er dort liegen und versuchte wieder Herr seiner Sinne zu werden.
    Am schwersten war sein Gedächtnis in Mitleidenschaft gezogen. Als Nestor schließlich die Kraft aufbrachte, eine kurze Strecke weit wegzukriechen, sich aufzusetzen und zu untersuchen, woher der Schmerz kam, hatte er keinerlei Erinnerung mehr an seine Vergangenheit. Jedenfalls keine deutlichen. Vor seinem geistigen Auge schwebten verschwommene Gesichter, die ihm irgendwie bekannt vorkamen, verzerrt und verzogen, Szenen aus seiner Kindheit und seiner Jugend, er sah sogar etwas von der Gewalt vor sich, zu der er erst vor Kurzem gegriffen hatte. Doch alles war so unbestimmt und zusammenhanglos, dass es ihm nicht gelang, die einzelnen Teile zusammenzufügen, so sehr er sich auch bemühte.
    Die eine unbestreitbare ›Tatsache‹, die eine Antwort, die immer wieder aufblitzte, wenn er sich fragte, woher er kam und wer er war, war der stets wiederholte Satz: »Ich bin der Lord Nestor.« Damit war ihm

Weitere Kostenlose Bücher