DÄMONENHASS
oder auch ein Wesen sein konnte, das nur so aussah. Da kam ihm der Gedanke: Warum in die Sonne fliegen, wenn es doch andere Orte gibt und gute Werke, die man auf dem Weg tun könnte? Jawohl, und Rechnungen, die noch nicht beglichen sind?
Vielleicht vernahm Karz diesen Gedanken, vielleicht auch nicht. Aber sein großer Kopf hatte einen Moment lang im Nicken innegehalten, und der Schimmer in seinen großen, dunklen Augen hatte sich um ein weniges verstärkt ...
Maglore erschuf weitere Kreaturen und ließ sie in verbotenen Gewölben heranreifen. Je mehr Zeit er auf sein Werk verwandte, desto weniger Zeit blieb ihm für Nathan. Von seinen Mahlzeiten mit Maglore abgesehen, bekam Nathan den Seher-Lord nur noch selten zu Gesicht, und darüber war er froh. Doch betraf dies nur seine wachen Stunden. In seinen Träumen dagegen ...
Über seine Träume grübelte er oft. Oft schreckte er aus dem Schlaf, um festzustellen, dass seine Geisteswehr gesenkt war und irgendetwas durch seinen Schädel schlich, das sich jedoch sogleich zurückzog und ihn in Ruhe ließ. Maglore? Wer sonst konnte es sein? Eygor Todesblick war es nicht, denn das alte, tote Scheusal, das in der Irrenstatt lag, verheimlichte seine Anwesenheit nicht, sondern machte sich jedes Mal bemerkbar, wenn er des Nachts kam, um ihn zu umschmeicheln und zu betören.
Eygor erstrebte eine Art Handel, wollte ihn zur Abgabe eines Versprechens bewegen und suchte nach einer Möglichkeit, noch über das Grab hinaus Unheil zu stiften. Bislang hatte Nathan sich ihm widersetzt, dennoch war er neugierig und hatte sich schon lange vorgenommen, eines Tages in die leere, hallende Irrenstatt hinabzusteigen ...
Als einmal der Mond voll und hell vor seinem Fenster schien, erwachte Nathan und wollte sich etwas Wasser aus der Schüssel neben seinem Bett ins Gesicht spritzen. Doch ehe er noch die Hände in die Schüssel tauchen konnte, sah er den Mond, der sich im Wasser spiegelte, und neben ihm sein Gesicht. Da waren ihm wie schon so oft die Worte des Sterndeuters Thikkoul wieder eingefallen:
»Ich sehe dein Gesicht: die eingefallenen Augen, das ergrauende Haar ...« Denn seine Augen lagen in der Tat tief in den Höhlen, und sein gelbes Haar war grau gesprenkelt ...
Die Zeit verstrich immer rascher, und Maglore machte nun sparsameren Gebrauch von seinen Knechten und den Neuzugängen von der Sonnseite. Es war nicht so, dass er bereits genügend Krieger hatte. Doch anscheinend schonte er in Erwartung eines neuen Vorhabens seine Kräfte und das Rohmaterial für seine Gestaltungskünste.
Eines Abends rief er Nathan zu sich, forderte ihm sein Armband ab und zerriss es in kleine Stücke. »Du trägst so feine Sachen«, sagte er, »und hängst an diesem Lederstreifen, als sei er dein Wappen! Wenn du schon ein Wahrzeichen tragen musst, dann tue es wenigstens mit Stil. Hier ...« Damit reichte er ihm ein Schmuckstück, ganz aus Gold und einen Zoll lang, das als die vertraute Schlaufe mit der halben Drehung gearbeitet war. Es war ein auf der Sonnseite hergestellter Ohrring, und Maglore befahl ihm, ihn im linken Ohr zu tragen.
Der Seher-Lord erklärte sein Geschenk mit den Worten: »Da du selbst ein wahres Schmuckstück von einem jungen Mann bist – und es wohl bekannt ist, dass ihr Szgany euch gerne mit allerlei Klimperkram behängt –, wusste ich gleich, dass es dir gefallen würde.«
»Ich werde mir das Ohr durchstechen müssen«, sagte Nathan, ohne sich seine Worte groß zu überlegen.
Maglore blickte ihn mit vorgetäuschter Scham an, dann grinste er und entblößte nadelspitze Fangzähne. »Wärst du eine Maid, dächte ich daran, es selbst zu tun!«, sagte er. »Und vielleicht mache ich es auch! Allerdings schätze ich dich für das, was du bist, und nicht für das, was ich aus dir machen kann. Orlea soll es mit einer heißen Nadel für dich tun; bleibe danach in deinem Zimmer, bis der Stich verheilt ist.«
Als Nathan sich darauf zum Gehen wandte, sagte Maglore: »Wenn Orlea mit dem Stich fertig ist, schicke sie zu mir. Denn wenn auch einige Stiche schmerzen, sind andere doch das reine Vergnügen. Oh, gewiss folge ich Turgo Zoltes Lehren, aber auch wer sich noch so streng an die Regeln hält, hat gewisse Bedürfnisse ...«
Nathan wählte den Zeitpunkt sorgfältig. Zur Mitte eines Sonnaufs, als Maglore schlief und im Horst Ruhe herrschte, suchte er die Irrenstatt auf.
Ich habe dich schon erwartet, sickerte Eygors Stimme in der Totensprache in seinen Geist, während er die
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